Der globale Eingriff
Unterschied war die Länge der Schlangen, die sich zur Benutzung der Fahrstühle bildeten. Je näher er dem fünfzigsten Stockwerk kam, desto weniger Leute wollten aufwärts fahren. Nachdem er aber auf Johannes-Gebiet war, wurden die aufwärtsstrebenden Schlangen wieder länger. Auch standen jetzt Personen beiderlei Geschlechts an. Die Frauen ähnelten der Großen Mary, und auch die Männer sahen einander ähnlich wie ein Ei dem anderen.
Im dreiundvierzigsten Stockwerk wartete Ann auf ihn. Sie drehte sich wortlos um und wies ihm den Weg zu ihrer Zelle. Als sie dort angekommen waren, setzte sie das Schweigen fort. Ihr Gesichtsausdruck war durch die Falten ihrer Kapuze versteckt, aber sie hatte die Fäuste geballt. Instinktiv streckte Malcolm seine Arme aus, um sie zu beruhigen, taumelte aber zurück, als sie sich geradezu auf ihn warf.
Einen Augenblick lang dachte er, sie wolle ihn angreifen, weil man sie einer Gehirnwäsche unterzogen, weil irgendein Johannes ihre Persönlichkeit radikal geändert hatte. Dann jedoch wurde klar, daß sie ihn nicht zerschmettern wollte, sondern sich nur in der Art an ihn hängte, in der sich ein Schwimmer an einen Felsen hängt, wenn er in Gefahr ist, weggeschwemmt zu werden – verzweifelt. Er legte seinen Arm um sie und hielt sie sehr fest. So standen sie für einige Minuten fest aneinander gepreßt, und scheinbar versuchte jeder, auf irgendeine Weise den Brustkorb des anderen einzudrücken.
Malcolm wurde unglaublicherweise, wenn man die Situation bedenkt, sexuell erregt.
Ann brach in ein beinahe hysterisches Lachen aus und schubste ihn weg. „Mir… mir wurde erzählt, daß wir eine grundlegende Neuorientierung für non-aktive örtliche Hilfskräfte durchmachen müssen, was das auch immer heißen mag. Ich glaube kaum, daß sie es schätzen werden, wenn wir sie mit Filmmaterial für einen Sexualkundekurs ausstatten.“ Ihre Stimme überschlug sich plötzlich. Fast flüsternd sprach sie die Worte: „Wo sind wir?“
„Beruhige dich, Liebling“, sagte Malcolm. „Zeitlich gesehen können wir gar nicht so weit vom Krankenhaus weg sein. Wir sind natürlich in einem unterirdischen Raum. Zuerst habe ich gedacht, wir seien unter dem Krankenhaus. Aber der Dreck, der da weggeschafft worden ist, mein Gott… Den Abtransport hätte man bemerken müssen.“
„Hast du es getan?“ verlangte sie zu wissen. „Wenn nicht, dann tu es jetzt. Auf und ab und so hoch wie du kannst.“
Malcolm öffnete seinen Mund, um etwas dagegen zu sagen, sah aber, daß sie es ernst meinte. Nach den ersten zwei Sprüngen fiel er beinahe hin. Beim vierten Sprung wußte er, auf was sie anspielte, und die Überraschung ließ ihn fast wieder das Gleichgewicht verlieren. Er wollte gerade einen fünften versuchen, nur um absolut sicherzugehen, als eine Mary die Zelle betrat.
„Schön, schön“, sagte sie in derselben angenehmen Kontraaltstimme, die auch eine andere Mary vor kurzem dem Professor gegenüber benutzt hatte. „Der Schulungsüberwacher hat mir gesagt, daß Sie die Zeit, die seit Ihrer Verfrachtung vergangen ist, herausbekommen haben, indem Sie die Dichte Ihres Gesichtshaares überprüft haben, und nun haben Sie durch auf und ab Hüpfen festgestellt, wo Sie nicht sind. Würden Sie mir bitte jetzt zu den Aufzügen folgen? Wir fahren zum ersten Stock. Sie können jetzt ebensogut das Schlimmste erfahren…“
Wieder ging es stetig aufwärts, nur war diesmal Ann in der Kabine über ihm und Mary in der darüber. Sie rauschten an Stockwerk über Stockwerk voller Neuorientierungszellen vorbei, bis das grüne Johannesgebiet dem Gelb der Verwaltung wich, wo ganze Etagen mit Kommunikationsausrüstung und Computern gefüllt waren. Die in Weiß gekleideten Figuren in diesen Stockwerken waren kleiner, und es waren weniger Lukasse, Johannesse und Marys zu sehen. Gelb, so schien es, bedeutete neutrales Gebiet.
Die Grundfläche der ersten Etage war, verglichen mit denen der tieferen Stockwerke, winzig. Es war nur ein Kreis von etwa fünfzehn Metern Durchmesser. Der Boden war durchgehend weiß, und als Dach fungierte eine undurchsichtige Kuppel. In der Mitte des Raumes befand sich ein Kontrollstand, der von in Hufeisenform angebrachten Liegesesseln umgeben war, die nach außen gerichtet waren. Außer ihnen war niemand im Stockwerk.
„Wollen Sie sich bitte hinsetzen?“ sagte die Mary und deutete auf zwei Sessel. „Derweilen mache ich die Kuppel durchsichtig.“
Malcolm war froh, daß er saß, da der Schock ihn
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