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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Teppichwände verkleidet, den bei der Darstellung beteiligten Schauspielern eine Art von Garderobe bieten mußte; eine ganz naiv von außen angelegte Leiter vermittelte den Verkehr zwischen der letzteren und der Bühne und gab ihre steilen Sprossen für die Auftritte und Abgänge der Handelnden her; da gab es doch wirklich kein so unvorhergesehenes Kommen, keine so unerwartete Entwicklung, keinen so heimlich vorbereiteten Knalleffekt, der nicht gehalten gewesen wäre, sich auf dieser Leiter hinauf zu bemühen. Unschuldig ehrwürdiges Kindesalter der Kunst und der Maschinerie!
    Vier Sergeanten des Bailli vom Palast standen, als beeidigte Aufseher aller Volksfreuden, an Festtagen wie bei Hinrichtungen, an den vier Ecken der Marmorplatte. Erst mit dem zwölften Glockenschlage der Mittagstunde, nach der großen Uhr des Palastes, sollte die Vorstellung beginnen; – ohne Zweifel ziemlich spät für eine Bühnenvorstellung; indessen, man mußte nun einmal die den Gesandten gelegene Stunde wählen.
    Jene ganze Volksmenge wartete nun schon seit Tagesanbruch. Eine gute Anzahl dieser wackern Schaulustigen klapperte seit so geraumer Zeit aus Frost mit den Zähnen vor der großen Treppe des Palastes; etliche versicherten sogar, die Nacht unter dem großen Tor zugebracht zu haben, um ja gewiß zuerst hineinzukommen. In jedem Augenblick schwoll die Menge an und begann, wie ein Gewässer, das seine durchschnittliche Höhe überschritt, längs der Wände emporzusteigen, rings um die Pfeiler anzuwachsen, sich über die Gesimse, Fensterbrüstungen, über alle architektonischen Vorsprünge, über alle Reliefs der Skulptur zu verbreiten. Da mußten dann Unbequemlichkeit, Ungeduld, Langweile, da mußte die Freiheit eines Tages des Zynismus und der Narretei, die durch Ellenbogenstöße oder Tritte wohlbeschlagener Schuhe aufgerüttelten Händel, die Ermüdung als Folge des langen Wartens dem unruhigen Lärmen dieser eingeschlossenen, festgepfropften, gepreßten, zerwalkten, beinahe erstickenden Menschenmenge den Charakter von Bitterkeit aufprägen. Man hörte nichts als Klagen und Flüche über die Flamländer, den Prévot des Handelsstandes, den Kardinal von Bourbon, den Hausvogt vom Palast, Frau Margarete von Österreich, die bestockten Trabenten, über Kälte, Hitze, schlechtes Wetter, – und über den Bischof von Paris, den Narrenpapst, die Pfeiler, die Statuen, über die geschlossene Tür hier, über das offene Fenster dort, – alles zum großen Spaß der Banden von Studenten und Lakaien, die in der Menge hin und wieder wie ausgesät waren, unter das allgemeine Mißbehagen noch ihre besonderen Einfälle und Spötteleien mengten und dadurch die allgemeine üble Laune noch sozusagen wie mit Nadelstichen spickten.
    Ein Rudel solcher lustigen Kobolde hatte, nachdem sie die Scheiben eines Fensters eingeschlagen, verwegen auf einem Gesimse Posten gefaßt und trieb von da aus, alles musternd, seinen Spott mit allem, was drinnen und draußen im Saal und auf dem Platze wimmelte. Aus ihren Grimassen, aus ihrem schallenden Gelächter, aus ihren drolligen Zurufen, die sie von einem Ende des Saales zum andern an ihre Kameraden richteten und von diesen erwidert bekamen, ließ sich leicht abnehmen, daß diese jungen Musensöhne die Langeweile und Ermüdung der übrigen Anwesenden nicht teilten und es verstanden, zu ihrer besonderen Ergötzlichkeit einstweilen das, was unter ihren Augen vorging, zu einem Schauspiel zu gestalten, wobei sie das andere geduldig erwarten konnten.
    „Bei meiner Seele, das seid Ihr, Johannes Frollo de Molendino!“ schrie einer von ihnen, ganz von der Art eines kleinen blonden Kobolds, von einem netten spitzbübischen Wesen, der sich an das Akanthus-Schnitzwerk eines Kapitäls angerankt hatte; „mit Recht heißt Ihr Johann von der Mühle, denn Eure zwei Arme und zwei Beine haben ganz das Ansehen von vier Windmühlenflügeln, die just im Gange sind. Wie lange seid Ihr denn schon hier?“
    „Bei des Teufels Mitleid!“ versetzte Johannes Frollo, „über vier Stunden schon, und ich hoffe, daß sie mir einst an meiner Zeit im Fegefeuer abgezogen werden; ich hörte die acht Sänger des Königs von Sizilien den ersten Vers des Siebenuhr-Hochamts in der heiligen Kapelle anstimmen.“
    „Nette Sänger!“ nahm der andere das Wort, „haben Stimmen, noch spitzer als ihre Mützen. Der König hätte, bevor er dem heiligen Johannes eine Messe stiftete, doch zuerst anfragen sollen, ob dieser ehrliche Mann – der heilige Johann

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