Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
später sagte, war seine Verwunderung allerdings nicht gering, dass sich der langhaarige Student als intimer Kenner des klassischen Opern- und Konzert-Repertoires erwies.
Und dann war da noch vieles mehr, was das Leben in Ammerland so angenehm machte: der herrliche Garten, die Möpse Henry und Gilbert, die mir nach und nach ans Herz wuchsen, Loriots sehr nette Töchter, Bettina, die ältere, eine Kunststudentin, Susanne, die jüngere, noch Schülerin, und allem voran: Romi.
Romi war (und ist bis heute) ein Phänomen. Als Scheidungskind kannte ich intakte Familien nur von Schulfreunden. Das waren bürgerlich-spießige Familien mit Müttern, die Haus und Küche bestellten und dem althergebrachten weiblichen Rollenklischee entsprachen, das mit der aufkommenden Emanzipationsbewegung zu Beginn der siebziger Jahre endlich in Frage gestellt wurde.
Romi war anders. Auch sie bestellte Haus und Küche, aber sie entsprach so gar nicht dem Bild von einem Hausmütterchen. Romi sah schon immer zwanzig Jahre jünger aus, als sie war – bis heute. Sie malte, sie gärtnerte mit Leidenschaft, sie ritt Dressur, sie war witzig, und sie war die beste Köchin, die man sich wünschen konnte. Dies alles mit Leichtigkeit und burschikosem Charme – und ganz ohne Jodeldiplom.
Der kulinarisch nicht verwöhnte Student schwelgte in Köstlichkeiten und wünschte sich, auch später einmal eine so selbstbewusste Frau wie Romi an seiner Seite zu haben. Loriot wäre ohne seine Romi vollkommen aufgeschmissen gewesen. Nach eigenem Bekunden war er weder in der Lage, eine Teetasse oder einen Löffel in seiner Küche zu finden, noch sich selbständig ein Butterbrot zu schmieren. Wie sollte er auch, er hat ja unablässig gearbeitet.
Vorbereitungen
Im April 1975, eine Woche nach meinem Besuch in Ammerland, begannen vor Ort die Planungen für die erste der legendären Bremer Sendungen. Terminbesprechungen, Festlegung der Besetzung, Motivbesichtigungen. Radio Bremen war ein kleiner, aber feiner Sender. Der Studiokomplex, der inzwischen leider nicht mehr existiert, war eine perfekte kleine Filmfabrik. Es gab für alle Gewerke Archive, Lager und Werkstätten. Die Wege waren kurz, die Requisiten- und Kostümfundi gut gefüllt. Was nicht vor Ort vorhanden war, wurde herangeschafft. Die einzige Einschränkung: Es durfte nichts aus dem nahen Hamburg besorgt werden, da waren die Bremer eigen.
Ein feinsinniger Humorist und ein linker Student gehen mit vier Augen auf Motivsuche. Die ersten drei Sketche, die auf dem Drehplan standen, waren die Szene mit der Bananenschale auf dem Frankfurter Flughafen, das Arbeiterinterview mit dem zähen Schinkenbrot in der Werkshalle einer Stahlfabrik und die spanische Touristen-Tragödie »Gran Paradiso«. In der kritischen Betrachtung eines seinerzeit hypermodern wirkenden Flughafens und eines zeitlos scheußlichen Neubauviertels waren wir uns einig. Die noch nicht ganz fertiggestellte Bremer Trabantenstadt „Neue Vahr“ entsprach präzise dem Bild, das Loriot von den Hotelbettenburgen an der Costa Brava hatte. Dass er das Mittelmeer nach Bremen verlegte, war nicht ohne Perfidie.
»Frankfurt Airport« erschien uns als gebaute negative Utopie. Mir kam damals allerdings auch der frisch eröffnete Flughafen Berlin-Tegel »utopisch modern« vor. Die politische Situation wollte es zudem, dass während unserer Motivbesichtigung in Frankfurt extreme Sicherheitsvorschriften herrschten. Überall standen bis an die Zähne bewaffnete Beamte des Bundesgrenzschutzes herum. Wir liefen staunend durch die riesigen Hallen des Terminals und legten fest, wo welche Einstellungen gedreht werden sollten. Der Flughafen Bremen kam mangels Größe als Drehort nicht in Frage.
Beim »Arbeiterinterview« hatte ich gewisse politische Bedenken. In dem Sketch ging es um ein Tagesschau-Interview mit einem Stahlarbeiter und Betriebsratsvorsitzenden an seinem Arbeitsplatz. Der Interviewer Schmoller (Loriot) fragt sein Gegenüber (Heinz Meier) nach den Auswirkungen eines neuen Mitbestimmungsmodells. Der Arbeiter will gerade antworten, da ertönt in der Halle ohrenbetäubender Lärm, und das Interview muss abgebrochen werden. Als wieder Stille eingekehrt ist und das Interview fortgesetzt wird, beißt der Arbeiter in eine Klappstulle und kämpft fortan verbissen mit einer zähen Schinkenscheibe, so dass seine Antwort wieder unverständlich ist.
Der Zeitgeist hatte »den Arbeiter« etwas übertrieben zum Idol erhoben. Manche Studenten verdingten sich zur
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