Der glücklose Therapeut - Roman
sie davon? Ich bin eine Katastrophe. In dem Geschäft ging mir der Gedanke durch den Kopf, dass sie sich über einen neuen Staubsauger freuen würde, und tatsächlich verdient sie sogar zwei davon. Damit sie mich liebt … « Seine Augen füllten sich mit Tränen. » Vielleicht ist es so passiert, aber ich weiß es nicht … «
» Waren Sie betrunken? «
» Nein, nein. «
» Nehmen Sie Ihre Medikamente? «
» Ja. «
» Denken Sie an Selbstmord? «
» Manchmal. «
» Vorsatz? «
» Ich werde Mimi nicht alleinlassen. «
» Gab es solche Momente in der Vergangenheit, eine Situation, in der Ihr Verhalten so wie hier außer Kontrolle geriet? «
» Nein, so nicht. «
An diesem Punkt wurde mir klar, dass Barry Long wahrscheinlich an einer bipolaren Störung litt.
Menschen mit einer bipolaren Störung werden häufig lediglich als depressiv diagnostiziert, denn während der manischen Episoden erscheinen sie nicht zur Therapie, da sie ihre Manie als eine Zeit der Kreativität und Ekstase erleben – wie einen endlosen Orgasmus, so nannte ein Betroffener es einmal – und Angst davor haben, sie würde ihnen weggenommen, mit Medikamenten betäubt und durch Einweisung in eine Klinik zerstört.
Ich habe in der Vergangenheit mit einigen solchen Klienten gearbeitet und eine Depression diagnostiziert, durch die plötzlich eine Manie durchbrach. In einem Fall handelte es sich um eine temperamentvolle, kräftig gebaute Frau mit strahlenden Augen, die in einer Kleinstadt als Autoverkäuferin arbeitete. Eines Tages tauchte sie herausgeputzt bei der Arbeit auf und begann, die Autos gratis an ihre Kunden abzugeben – Sonderangebot! Nur heute! Nach ein paar Stunden stieg sie in ein blaues Kabrio und fuhr damit nach Cleveland. Dort wurde sie von der Polizei aufgegriffen, als sie nackt auf dem Highway lag und schreiend darauf bestand, umgehend mit dem russischen Präsidenten zu sprechen, um ihren Plan für ein interreligiöses Friedensabkommen im Mittleren Osten vorzutragen und außerdem, wenn sie schon einmal da sei, das Problem der weltweiten Klimaerwärmung zu lösen, indem sie außer Weiß sämtliche Farben verbot.
Dann war da ein silberhaariger Pensionär mit sanftem Blick und sanftem Wesen, der sich nach einer manischen Episode in der Gummizelle der örtlichen Polizeiwache wiederfand. Der Gefängniswärter erzählte mir am Telefon, dass der Mann versuche, die Wände hochzuklettern, sich für einen Gorilla namens Brute halte und behaupte, die Welt ginge unter, wenn nicht er, der Gorilla Brute, das ganze Buch Genesis auswendig hersagen könne.
Ein dritter Klient, an den ich mich erinnerte, ein bebrillter Pharmazeut mittleren Alters, betrat eines Tages das Gerichtsgebäude an der Main Street, trat vor den Richter, knallte die Faust auf den Richtertisch und forderte freundlich, aber bestimmt ein faires Verfahren, jetzt und auf der Stelle. Zwei Wochen später, als er über das Wochenende aus der Klinik entlassen wurde, nahm er seine gesamten Ersparnisse und kaufte sich eine Flöte, eine Klarinette, einen Flügel, zwei Oboen, eine Geige, eine Orgel und einen Kontrabass, obwohl er noch nie in seinem Leben ein Instrument gespielt hatte und nach diesen Käufen auch kein Geld mehr für Musikstunden übrig hatte, falls er sich denn zu einem späten Anfang entschlossen hätte.
Im Larsen P. Clark Hospital wurden die bipolaren Patienten dem medizinischen Personal gegenüber aufsässig und verweigerten die Behandlung, sobald sie ein erstes euphorisches Kribbeln verspürten. Ein verräterischer Hinweis, dass jemand kurz vor einer manischen Episode stand, war seine beharrliche Behauptung, es gehe ihm gut und er brauche keine Medikamente mehr. Darin liegt das Paradoxon der Bipolarität: Sich gut zu fühlen ist ein Symptom, ein schlechtes Zeichen. Auch sich schlecht zu fühlen, ist ein schlechtes Zeichen. Eine bipolare Störung ist an sich ein schlechtes Zeichen, denn häufig verstärkt und verschlimmert sie sich mit der Zeit; die Episoden folgen immer rascher aufeinander wie Wasser, das immer schneller spiralförmig im Abfluss verschwindet. Im Larsen P. Clark lernte ich, dass bipolare Patienten sich als Gruppe von den Depressiven unterscheiden. Sie leiden nachts am meisten, sind häufiger psychotisch und berichten häufiger von einer chaotischen Vergangenheit. Wie Suchtkranke sind sie geschickte Lügner, auch wenn sie darin nicht so perfekt sind wie diese, die sich ihrerseits wieder vor den Soziopathen verbeugen müssen, für die das
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