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Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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Zehn-Dollar-Schein zog ich einen sauber gefalteten Brief heraus. Ich bezahlte den Lieferanten. Der Duft der Pizza erfüllte das Haus und hüllte mich in ein Gefühl von Wohlbehagen und froher Erwartung. Bevor ich mich zum Essen setzte, faltete ich den Brief auseinander und las ihn. Warum ich das tat? Ich weiß es nicht. Was stand darin? Ich kann es nicht mehr genau sagen. Doch ich erinnere mich an ein paar Zeilen in einer unbekannten Handschrift. Genauer gesagt erinnere ich mich an Folgendes:
    Als ich Dich in den Hintern gevögelt habe. Als mein dicker Schwanz völlig in Deinem Arsch verschwunden war, habe ich mich gefühlt wie ein König. Wie ein Löwe.
    Vielleicht gibt es Beziehungen, die sich von solchen Zeilen erholen können. Unsere gehörte nicht dazu. Das war mir augenblicklich klar. Doch selbst Dinge, die einem in einem abstrakten Sinne augenblicklich klar sind, brauchen Zeit, um konkret zu werden. Und das ging so: Zunächst ging ich in die Küche und begann in stoischer Ruhe, wie ein Automat, das Geschirr abzuwaschen, während mein Gehirn sich wie mit Sand gefüllt und völlig verstopft anfühlte. Dann nahm ich die sauberen Teller und schmiss sie einen nach dem anderen an die Wand. Danach die Champagnergläser, die wir nie benutzten, weil Alex fand, sie seien zu hübsch und zu zerbrechlich, um das Risiko einzugehen. Dann ging ich nach oben und wühlte in ihren Schränken und Schubladen auf der Suche nach … wonach eigentlich? Ich wusste es nicht. Auf der Suche nach Dingen, die ich nicht finden wollte und auch nicht fand. Dann fuhr ich wie ein Rasender zu ihrem Büro und stellte fest, dass es abgeschlossen war und kein Licht brannte. Ich rief sie auf ihrem Mobiltelefon an, doch sie antwortete nicht. Dann fuhr ich durch die Stadt, wie betäubt und gleichzeitig wutentbrannt, und überlegte mir, ob ich meinen Wagen gegen einen Baum oder eine Mauer rammen sollte. In Gedanken versuchte ich, mir Alex’ Schock, ihre Ungläubigkeit und ihre Schuldgefühle beim Anblick meines entstellten Leichnams vorzustellen, doch es gelang mir nicht, dieses Bild abzurufen. Stattdessen stellte ich mir Alex auf einem zerwühlten Bett vor, wie sie mit lang ausgestreckten Gliedern auf dem Bauch lag, einen dicken Schwanz im Hintern. Dann fuhr ich wieder nach Hause und dachte, dass ich meine Sachen packen und gehen sollte; gehen, bevor sie ging. Doch sie war bereits gegangen. Es war zu spät. Ich dachte daran, ihre Kleider auf den Rasen hinauszuwerfen. Doch plötzlich sickerte mir alle Kraft aus Armen und Beinen. Ich stolperte durchs Haus auf der Suche nach etwas, das ihr lieb und teuer war. Doch das Einzige, was ich fand, waren zwei gerahmte Bilder von ihr und Sam in Lucca, Erinnerungen an unseren Italienurlaub, wo wir durch enge, kopfsteingepflasterte Gassen geschlendert waren und Alex reich verzierte Türen und Fenster fotografiert hatte. Dann dachte ich, dass ich eigentlich losziehen und jemand anderen vögeln sollte. Ich durchforschte mein Gedächtnis nach jemandem, den ich hätte vögeln können, doch mir fielen keine Namen ein; das Einzige, was mir in den Sinn kam, war ein trübes Bild des Mädchens mit den Kakteen und der freundlichen Schlange. Namen fielen mir überhaupt keine mehr ein. Nichts, nur ätzende gelbe Galle in meiner Kehle.
    Alex kam, sagte Hallo und ging sofort ins Bad. Ich wartete mit zusammengebissenen Zähnen ein paar Minuten im Wohnzimmer. Schließlich ging ich ins Bad und hielt ihr den Brief unter die Nase. Sie saß auf dem Klo und las wie üblich in einer Zeitschrift.
    Sie hob den Blick und sah mich an, dann den Brief, dann wieder mich und sagte kalt: » Warte wenigstens, bis ich hier fertig bin, ja? «
    Ich wartete in der Küche inmitten von zerbrochenem Glas und Kristall. Die Signale der äußeren Welt waren verstummt, und ich schwebte schwerelos dahin wie ein verlorener Astronaut, der nur noch seinen eigenen, stoßweisen Atem hört, in seinem schweren Anzug gefangen, der ihn nicht retten kann, da der Kontakt zum Mutterschiff abgebrochen ist und sein Sauerstoff zur Neige geht.
    » Ich ziehe in den nächsten Tagen aus « , sagte Alex. » Du kannst das Haus behalten. Ich brauche kein Geld. Ich rede mit Sam. «
    Sie war direkt und sachlich wie immer, doch ohne Wärme. Ihre Wärme war anderswo. Ich spürte es auf meiner Haut.
    » Was hast du getan, Alex? « , sagte ich mit brüchiger Stimme.
    Sie nickte und wandte den Blick ab. » Es ist vorbei « , sagte sie in endgültigem Ton.
    » Ich wusste nicht, dass du

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