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Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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ist mehr Geld nicht mit mehr Glück verbunden, auch wenn es, zumindest wenn man den Anekdoten Glauben schenken will, mit der Qualität meines Weins und der Libido meiner Frau verknüpft ist; aber das ist ein ganz anderer Vortrag und an dich vollkommen verschwendet, David. «
    » Und dieser Vortrag ist an mich nicht verschwendet? «
    » Nicht so sehr wie dieser prächtige Rote, fürchte ich « , seufzte er und hielt sein Glas gegen das Licht. » Carmel Limited Edition, oberes Galiläa, aus dem Heiligen Land. Ein einmaliges Terroir, mildes Klima kombiniert mit schweren Böden, dazu noch die Spuren von Jesus und eine Andeutung von Eukalyptus, eine starke Attacke, wie sie es im Mittleren Osten offenbar am liebsten mögen … « Er nippte. » Kräftiges Aroma, durchgreifend, nicht gerade kleinlaut in der Struktur … «
    » Du scheinst von dir selbst zu sprechen, John « , kommentierte ich, » und dann auch noch mit dir selbst. «
    Er stellte sein Glas auf dem Tresen ab. » In den Kommunikationsgruppen, die ich leite « , sagte er, » konfrontiere ich manchmal zwei Freiwillige in einem kleinen Rollenspiel. Dem einen flüstere ich zu, seine Mutter liege im Sterben und könne nur durch den Saft einer ganzen Orange gerettet werden. Dem anderen flüstere ich zu, seine Mutter liege im Sterben und könne nur durch die Schale einer ganzen Orange gerettet werden. Dann lege ich eine Orange in die Mitte und sage: ›Das hier ist die letzte Orange auf Erden.‹ Was, glaubst du, passiert dann? «
    » Sie prügeln sich? «
    » Natürlich, denn beide gehen davon aus, dass sie die ganze Orange brauchen, um ihre Mutter zu retten, sie greifen beide danach, und schon hast du einen Kampf … «
    » Oh, ich dachte, sie fielen über dich her, um dich wegen deiner albernen Spielchen zu verprügeln. «
    » Das ist nicht komisch « , sagte er, » wie immer bei dir; auch kein Spiel, und auch nicht albern. Denn ich sage ihnen: ›Setzt euch hin und unterhaltet euch eine Weile. Lernt einander kennen.‹ Innerhalb weniger Minuten stellen sie fest, welchen Teil der Orange jeder von ihnen braucht, und damit ist das Problem gelöst, durch Kooperation, und ich habe zwei Mütter gerettet. Doch die meisten von uns erreichen diese zweite Kommunikationsstufe nie, und deshalb verbringen wir so viel Zeit mit Streiten, in der Familie und auch außerhalb. Deshalb müssen wir versuchen zu verstehen. «
    Ich versuchte, Barry Long zu verstehen. Was hatte ihn wohl dazu getrieben, um die Mittagszeit einen Walmart zu stürmen und dort solch zweifelhafte Beute zu machen? Depressive werden oft wütend, und wer kann ihnen das verübeln; ihr Geist ist umnebelt, ihre gutartige Natur wird untergraben. Doch Barry Long schien kein Mann zu sein, der vor Wut den Kopf verlor. Hätte ich eine Wette abschließen müssen, hätte ich wahrscheinlich eher auf Ake getippt, den thailändischen Wirt, der, wie Alex bemerkt hatte, für einen Buddhisten ziemlich angespannt war. Ake kam immer an unseren Tisch, beugte sich zu uns und informierte uns flüsternd über die neueste Verschwörung gegen ihn in der Nachbarschaft oder darüber, dass die Küchenhilfe, die er eingestellt hatte, ihn bestahl und aus dem Kühlschrank Hühnerteile stibitzte, und vielleicht werde er gezwungen sein, dort eine Kamera zu installieren, doch wer habe für so etwas schon das Geld, besonders wenn auch noch das Budget für eine Küchenhilfe eingeplant werden musste.
    Andererseits schien Barry Longs Staubsauger-Parade, bei der es sich vom Standpunkt des Gesetzes aus um Diebstahl handelte, von Barry Longs Standpunkt aus keineswegs ein solcher zu sein. Barry Long war kein Dieb, dachte ich. Und wenn er denn einer war, dann nicht ein solcher Dieb. Und ich war nicht das Gesetz. Ich suchte nach einer anderen Antwort.
    » Jetzt erzählen Sie mir genau, was passiert ist « , sagte ich bei unserem nächsten Treffen zu ihm.
    » Die sagen, ich hätte das Geschäft mit zwei Staubsaugern verlassen und versucht, sie in mein Auto zu laden. «
    » Und was sagen Sie, Barry? «
    » Ich weiß es nicht. Es ist möglich. Doch wenn ich die Staubsauger mitgenommen habe, dann nicht für mich. «
    » Für wen denn dann? «
    » Für Mimi – Mimi. Mir geht es im Moment wirklich nicht besonders gut. Ich kann überhaupt nichts machen, ich kann nicht schlafen. Ich weine die ganze Zeit. Sie muss auf mich aufpassen. Es ist schwer für sie. Ich denke neuerdings, dass sie mich vielleicht verlassen will. Warum sollte sie bei mir bleiben? Was hat

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