Der glücklose Therapeut - Roman
weinte.
» Es ist in Ordnung. Sie haben so gehandelt, wie wir es in unserem Vertrag festgelegt haben. Sie haben sich richtig verhalten. Das zeigt, dass Sie die Kontrolle nicht verloren haben. Ihr Denken ist klar. Ich kann hören, dass Sie sich Sorgen machen. Das ist in einer solchen Situation normal. Doch wir werden das überstehen. Sie sind nicht allein, Barry. Wir verarbeiten das in unserer nächsten Sitzung, einverstanden? Jetzt ruhen Sie sich aus. Sitzen Sie? Gut. Dann lassen Sie uns in Siebenerschritten von dreihundert rückwärts zählen. Sind Sie bereit? Lassen Sie uns das laut tun. Langsam: 300, 293, 286, 279, 272, 265, 258. Gut, jetzt erlauben Sie sich, sich zu entspannen und zu beruhigen, und zählen Sie weiter. Sie sind in Sicherheit. Es wird sich alles finden. Ich sehe Sie dann bei unserer nächsten Sitzung. «
Wie sich herausstellte, war er erwischt worden, als er um die Mittagszeit beim Verlassen des Walmart in der Hamilton Street zwei gigantische Hoover-Staubsauger hinter sich herzog. Er rannte nicht weg und versuchte auch nicht, sich zu verstecken. Selbst wenn er es versucht hätte, hätte er unmöglich zwei glänzend rote Hoover-Staubsauger verbergen können, die er von den hohen Regalen heruntergeholt, ausgepackt und durch die breiten Gänge auf den halb leeren Parkplatz hinausgeschleppt hatte; er hatte sie hinter sich hergezogen, an zwei verblüfften Türstehern in orangefarbenen Westen vorbei, die zunächst nicht kapierten, was sich da vor ihren Augen abspielte, und das zu Recht. Es ist nicht die Aufgabe eines Türstehers, zu verstehen.
Mein Job dagegen ist es zu verstehen. Und wenn ich in meinem Job ein wenig nachlasse, wenn mir Schnitzer unterlaufen, ist da John Savoia, der mich darauf hinweist, häufig vis-à-vis am Ecktisch im Blind Mule Bistro, wo wir uns gelegentlich nach der Arbeit treffen, um etwas zu trinken. John, flott in gebügeltem weißen Hemd und mit einem wie ein geliebtes Haustier gepflegten Schnurrbart, kommt grundsätzlich ein wenig zu spät, um seine Bedeutung zu demonstrieren. Sein stämmiger, weicher Körper schien auf gut geölten, unsichtbaren Schienen dahinzugleiten. John hatte in den Jahren unserer Bekanntschaft immer wieder versucht, mir die Liebe zum Wein näherzubringen, die er bei sich selbst auf häufigen Ausflügen ins Napa Valley, bei gelegentlichen Seminaren in Naples und auf Wanderungen durch die Champagne ( » in Frankreich, nicht in Illinois « ) vervollkommnet hat.
» Such mir was Gutes aus « , sagte ich bei einer dieser Gelegenheiten und wusste, dass diese Worte in Johns Ohren klangen wie Sirenengesang. Er begann, über der Weinkarte zu brüten wie über einer Schatzkarte. Er schnupperte aufmerksam am Korken und erkundigte sich bei der verdatterten jungen Kellnerin nach dem Anbaugebiet und nach der genauen Lage. Dann teilte er mir freundlich, aber entschieden mit, ich solle das Bouquet erschnuppern und die Spuren von Eiche, Malz, metallisch schmeckenden Kräutern, eine Ahnung von Schießpulver, die Andeutung von Schimmel aus einer Fledermaushöhle darin entdecken und obendrein noch einen schwachen Anflug feuchter Wolle. Ich schluckte den Wein achtlos hinunter und sagte: » Schmeckt prima. Ich spüre einen Hauch von Traube! « John entrang sich einen schwachen Seufzer, in dem ein feines Bouquet aus Sorge und Mitleid mit leichten Noten von Verzweiflung und Siegerstolz mitschwang.
» Wenn du mich fragst « , sagte John, denn er wusste, dass ich ihn nicht fragen würde, aus Angst vor einem seiner unvermeidlichen, selbstzufriedenen Monologe, » dann liegt der Grund für das Scheitern einer Behandlung meist in mangelndem Verständnis. Tiefes Verständnis ist ein mühsamer Prozess. Unser Gehirn ist darauf trainiert, aus lückenhaften Informationen Schlussfolgerungen zu ziehen. Wieder einmal die Evolution « , lamentierte er. » Wenn du durch die Savanne gehst und von einem Löwen angegriffen wirst, dann rennst du davon, sobald du das nächste Mal einen Löwen siehst, auch wenn es sich nicht um denselben Löwen handelt. Gewöhnlich funktioniert das – die schnelle Entscheidung, im Galopp, anhand lückenhafter Informationen. Doch jede gute Sache hat auch ihre Schattenseiten. Manchmal ergeben lückenhafte Informationen ein ganz anderes Bild als vollständige. Nehmen wir zum Beispiel Glück und Geld. Sie sind miteinander verknüpft, jedoch nur bis zu einem gewissen Grad. Sobald uns genügend Geld zur Befriedigung unserer Grundbedürfnisse zur Verfügung steht,
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