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Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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Zauberkraft entfaltet … Sie haben aber keine Angst, Judy, oder? Sie werden nicht weglaufen, nicht wahr? «
    » Sie wissen, dass ich das nicht tun werde, Dr. Helprin « , sagte sie mit einem verlegenen Lächeln und zog sich in ihr Büro zurück.
    » Ich komme nächsten Dienstag wieder, Help. Sie essen dienstags doch immer noch Chili in der Cafeteria, oder? «
    » Natürlich. Einem Gewinner bleibt man treu. Auch wenn das Rezept für dieses Chili hoffnungslos im Dunkeln bleibt. «
    » Wir essen einen Teller miteinander, um der alten Zeiten willen. «
    » Meine alten Zeiten sind jetzt, Jingele, jetzt! « Er seufzte, und eine flüchtige Sekunde lang kam er mir äußerst zerbrechlich vor.
    » Haben Sie schon mal daran gedacht, sich zurückzuziehen? « , fragte ich.
    » Zurückzuziehen wohin? Das hier ist mein Leben. Wissen Sie, wie man es nennt, wenn man sich vom Leben zurückzieht? «
    » Ich wollte Ihnen eigentlich eine Frage stellen « , sagte ich.
    » Das glaube ich gern, und Sie wollen es immer noch « , seufzte er. » Schießen Sie los. «
    » Was ist, wenn man einen guten Kontakt zu dem Klienten hat, wenn er einem zu vertrauen, einen zu mögen scheint … und man dennoch weiß, dass seine aktuellen Nöte, sein klinischer Befund eine umfassendere Therapie erforderlich machen, als man sie gewährleisten kann, sagen wir, eine stationäre Unterbringung – die er allerdings ablehnt, da er weiterhin zu einem kommen möchte. Ist es richtig, die Therapie abzubrechen und ihn wegzuschicken? «
    Er grinste breit: » Ach, lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen: Was wirkt heilend? Wissen wir das? Wir wissen es nicht. Aber wenn ich raten soll, würde ich sagen – wenn jemand, dem man etwas bedeutet, einem die Hand hält, hat man keine Angst. Es ist der menschliche Kontakt. Irgendetwas hat es mit dieser Chemie auf sich; wie mutig wir sein können, wenn wir sicher sind, dass wir geliebt werden! Sie wissen, wer das gesagt hat? Der alte Sigmund. Man hat Ihnen einiges über ihn beigebracht, oder nicht? Ja, ach, vieles davon ist Unsinn, und für unser Fachgebiet, die Psychosen, ist es alles ohne Bedeutung. Seine Jünger allerdings haben versucht, uns seine Ideen aufzuzwingen – ach, Jünger sind immer fanatisch –, aber dennoch hat er etwas gewusst. Dank der neuen Bildgebungsverfahren … dank der neuen Technologie wissen wir heute, dass du keine Angst hast, wenn jemand, der dich liebt, deine Hand hält. Wenn jemand, der dich liebt, deine Hand hält, bleibt dein Gehirn ruhig. Die neue Technologie ist doch zu etwas gut. Sie zeigt uns, wie die alte funktioniert. Die Hand halten – das ist alte Technologie, Jingele, ganz einfach. Geht sogar vor meine Zeit zurück, wahrscheinlich sogar vor die der Liebe; Sie wissen, dass wir kauen mussten, um Zähne zu bekommen. Das Kauen kam zuerst. Wahrscheinlich mussten wir einander die Hand halten, um Liebe zu entwickeln. Und so sage ich Ihnen: Das Protokoll, die Richtlinien, wer verfasst die? Juristen oder Menschen, die Angst haben, ein Jurist könnte vor ihrer Tür stehen. Ach. In meinem Alter jagt einem jemand, der vor der Tür steht, keine Angst mehr ein, nicht einmal, wenn er in schwarzer Robe und mit einer scharfen Sichel daherkommt, man erwartet ihn sogar. Aber die Sache ist die, wenn Sie einen Kontakt aufgebaut, eine menschliche Verbindung hergestellt haben, wenn Sie das haben, dann kämpfen Sie darum, es zu erhalten. Denn das ist nie der falsche Ansatz. Es ist das Einzige, was zählt, wie Sie eigentlich gelernt haben müssten, aber nicht gelernt haben, wie ich daran erkenne, dass ich fünfzehn Jahre lang nichts von Ihnen gehört habe, ach Jingele « , er hob seinen müden Blick und sah mich an.
    » Ich sehe Sie bald wieder « , sagte ich. » Ich lasse nicht wieder fünfzehn Jahre verstreichen. Ich glaube, ich lerne. «
    » Sie sollten vielleicht einen Zahn zulegen « , brummte er.
    Auf dem Heimweg machte ich mir Gedanken über Barry Long, und auf der Stelle stieg mir Nikotingeruch in die Nase. Vor vielen Jahren, 1899, wie ich mich aus einer von Helprins Vorlesungen erinnerte, hatte ein berühmter Forscher, Slosson, eine Flasche in seine Vorlesung mitgebracht und seine Studenten gebeten, den Geruch der klaren Flüssigkeit auszumachen, die darin enthalten war und bei der es sich seinen Worten nach um eine hochgiftige chemische Verbindung handelte. In den ersten Reihen nahmen die Studenten den Geruch sofort wahr, und innerhalb einer Minute rochen ihn alle. Doch die Flasche war mit

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