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Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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brachte sie McKenzie mit. Wir gingen zu Ake zum Essen, und ich ertappte mich dabei, dass ich ihren Verlobten heimlich beobachtete, seine Sprachmuster, seine Gestik und Mimik. Sam erwähnte, dass sie demnächst ein paar Sachen holen würde, die in Kisten verpackt im Keller standen. Ein paar Tage später rief sie an, um ihr Kommen anzukündigen, sagte aber gleich, sie sei in Eile und habe nicht viel Zeit. Als sie dann auftauchte, sah ich sofort, dass sie schlechter Stimmung war und nicht bereit für tiefschürfende Diskussionen, schon gar nicht mit mir.
    » Du bist schon früh zu Hause « , sagte sie, als ich die Tür aufmachte. » Was ist passiert? Nicht genügend Verrückte? «
    Ich erwiderte nichts. » Möchtest du etwas essen? « , fragte ich stattdessen.
    » Ich habe schon gegessen. «
    » Brauchst du Hilfe mit den Kisten? «
    » Es geht schon. Mom hat alles beschriftet. Du weißt ja, wie sie in solchen Dingen ist. «
    » Ja, ja … etwas zu trinken? «
    » Nein, Dad. Ich bin nur auf einen Sprung vorbeigekommen. Ich treffe mich mit Freunden. Erinnerst du dich an Ruth von der Highschool? Wir waren früher zusammen in der Volleyballmannschaft. Sie ist mit ihrem Freund in der Stadt. Wir gehen Kaffee trinken. Ich bin ohnehin schon spät dran. «
    Ich folgte ihr in den Keller. Sie begann, in den Kisten mit altem Spielzeug zu wühlen.
    » Was suchst du eigentlich? « , fragte ich.
    » Erinnerst du dich an Cream? «
    » Cream? «
    » Mein erster Teddy. Den habe ich überallhin mitgeschleppt und mit ins Bett genommen. «
    » Ich erinnere mich, natürlich. «
    » Den suche ich. «
    » So plötzlich? Eine nostalgische Anwandlung? «
    » Nicht meine, sondern die von McKenzie. Als wir das letzte Mal bei Mom waren, habe ich ihm ein paar alte Fotos gezeigt. Er wollte, dass ich Cream suche. «
    » Warum? «
    » Er findet es cool, du weißt schon, Kindheitserinnerungen. Er hat überhaupt nicht verstanden, warum ich Cream hiergelassen habe. Er meint, Gutes aus der Vergangenheit müssten wir mitnehmen, nicht zurücklassen. «
    » Sentimentaler Kerl « , murmelte ich. » Ein Kerl, der zuhört und sich Gedanken macht « , sagte sie.
    » Ich habe Teewasser aufgesetzt « , sagte ich.
    » Ich habe keine Zeit, Dad. Das hab ich dir doch schon gesagt. «
    » Als du noch klein warst, haben wir Teepartys veranstaltet, erinnerst du dich? Du wolltest immer mit einem Löffel umrühren, wie ein großes Mädchen. «
    » Ja … «
    » Ist das etwa keine Kindheitserinnerung? «
    Sie hielt kurz in ihrer Suche inne, seufzte schwer und sah mich an. Ein schwaches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
    » Okay, Dad, okay. Aber nur kurz. Ich bin beschäftigt. «
    ( Wir haben eigentlich Dringenderes zu erledigen, als mit Freunden Kaffee zu trinken. ) » Nur eine Tasse Tee, dann kannst du verschwinden « , sagte ich und stieg die Treppe hinauf.
    Ein paar Minuten später kam sie fröhlich triumphierend aus dem Keller und schwenkte den zerzausten Teddybären mit den abgeschabten Ohren wie eine Trophäe. » Ta daa! « , sagte sie. » Cream! « Sie platzierte den Teddy vor sich auf dem Küchentisch.
    » Der Tee ist gleich fertig « , sagte ich. » Kekse? «
    » Ich mache gerade eine Diät. «
    » Wer tut das nicht? Kekse? «
    » Okay, Dad. In Ordnung. «
    Ich stellte eine Tasse Tee vor sie hin, und sie umfasste sie behutsam mit beiden Händen. An einer Hand sah ich einen Diamantring funkeln. Ich setzte mich ihr gegenüber und stellte einen Teller Kekse zwischen uns auf den Tisch.
    » Mmh, Schokoladenkekse. Selbst gebacken. Hast du mit Backen angefangen? « , erkundigte sie sich skeptisch und nahm sich einen.
    » Nein, nein. Theresa, unsere Büroleiterin. Sie bäckt manchmal Kekse und bringt sie dann mit in die Klinik zum Verschenken. «
    » Sie sind gut « , sagte sie, rührte mit dem Löffel in ihrem Tee, den Blick auf ihre Hand geheftet, und schwieg.
    » Also, wir haben nicht viel Zeit, dann erzähl mir doch mal, was es Neues gibt « , sagte ich.
    » Nichts « , sagte sie, » du weißt schon, mein letztes Semester, Senioritis. Ich stecke bis über beide Ohren in Dingen, die unbedingt noch erledigt werden müssen. Ich freue mich so sehr darauf, all diese Bücher hinter mir zu lassen und ein neues Kapitel aufzuschlagen … « Sie hob den Blick und sah mich an. » Und wie geht es dir, Dad? « , fragte sie.
    » Ich bin mir noch nicht sicher, wie das nächste Kapitel aussehen wird « , sagte ich.
    Sie erwiderte nichts. Eine Weile saßen wir da, ohne etwas zu

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