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Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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sagen.
    ( Ich muss dir etwas Wichtiges sagen oder zumindest herausfinden, ob du es weißt. ) » Ich bin froh, dass du Cream gefunden hast « , sagte ich. » Die Zeit ist nicht gut mit ihm umgegangen. «
    Sie lachte. » Wenn du vier Jahre in einer Kiste im Keller verbracht hättest, wie würdest du wohl aussehen? «
    » Wie geht’s McKenzie? « , fragte ich. » Großartig. Es geht ihm gut. Er ist gerade befördert worden. Wir sparen. Wir planen die Hochzeitsreise. Letzte Woche hat er eine Weltkarte an die Wand gepinnt, mir einen Pfeil in die Hand gedrückt, mir die Augen verbunden und gesagt, ich solle den Pfeil werfen, und dort, wo er trifft, sei das Ziel unserer Hochzeitsreise. « Sie lachte.
    » Und wo hat der Pfeil getroffen? « ( Ach Sam, das Leben mit einem Bipolaren ist keine Hochzeitsreise. )
    » Ah, Bushan. «
    » Bushan? «
    » Das ist eine Stadt in China. «
    » Ihr fahrt nach China? «
    » Nein, natürlich nicht. Er ist sofort aufgesprungen, hat den Pfeil herausgezogen und ihn in Rom gesteckt. « Sie lachte wieder.
    » Kluger Junge, auch wenn er sich nicht unbedingt an die Regeln hält. «
    » Er weiß, dass ich an Rom gute Erinnerungen habe, von damals, als ich noch klein war. Er hat ebenfalls Erinnerungen daran. Seine Großeltern waren Italiener. Er hat sie früher immer besucht … «
    ( Wie gut kennst du ihn eigentlich? Hat er dir von seiner Vergangenheit erzählt, der kluge Junge, und von anderen Orten, an denen er gewesen ist? ) » Rom klingt gut « , sagte ich.
    » Ja « , sagte sie. Ihre Wangen waren vom Tee und von ihrem jugendlichen Überschwang gerötet. » Ich bin so aufgeregt wegen allem. Ich fühle mich großartig. « Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. » Oh, ich bin spät dran; ich muss mich sputen. « Sie stand auf, beugte sich vor und küsste mich auf die Wange.
    » Ruf mich an « , rief ich ihr hinterher. ( Pass auf dich auf, Kind, mein Kind. )

40
    Der dritte Versuch
    I n einer kurzen Pause zwischen zwei Klienten fing mich Theresa, unsere Büroleiterin, auf dem Flur ab. Es war Donnerstag. Ich stand in der kleinen Küche, wo es einen Kühlschrank gab, einen Wasserkocher und eine Mikrowelle, in der ich an geschäftigen Tagen mein Mittagessen aufwärmte.
    » Eine Susan Clarke hat gerade angerufen « , sagte Theresa, » von der Versicherung. Sie meinte, sie müsse mit dir sprechen. «
    Ich dankte ihr, und als ich wieder an meinem Schreibtisch saß, rief ich Susan Clarke an.
    » Susan « , sprach ich fröhlich ins Telefon, » wie schön, von Ihnen zu hören. Wollen Sie Neuigkeiten über Barrys Fortschritte hören? «
    Einen Moment war es still in der Leitung, dann hörte ich ihre Stimme, gepresst und trocken. » Ich habe schlechte Nachrichten, Doktor Winter. «
    » Will die Versicherung nicht mehr für seine Kosten aufkommen? Sie haben kein Herz. «
    » Barry Long ist nicht mehr. «
    » Ist nicht mehr was? «
    » Er ist tot. «
    » Tot? «
    » Er hat sich umgebracht. «
    Schweigen breitete sich aus, leeres, dumpfes, aschgraues Schweigen. Ich hielt lange den Atem an.
    » Wie ist es passiert? «
    » Er hat sich erschossen. Ich kenne die Einzelheiten nicht. «
    » Wie haben Sie es herausgefunden? «
    » Die Polizei hat angerufen. «
    » Wer, wer hat angerufen? «
    » Maloney war der Name, glaube ich. Ein Beamter von der Polizeiwache an der Main Street. «
    » Unglaublich « , sagte ich, obwohl ich es glaubte.
    » Es tut mir leid, Doktor Winter. Aber ich dachte, Sie würden es wissen wollen. Und sollten es nicht aus der Zeitung erfahren oder so. «
    » Danke … für alles, Susan. «
    » Alles sehr traurig « , sagte sie.
    » Ja. «
    Schweigen.
    » Nun, ich muss wieder an die Arbeit, Doktor Winter « , sagte sie.
    » Natürlich, Susan. Machen Sie’s gut. Vielleicht arbeiten wir in Zukunft wieder einmal zusammen. «
    » Vielleicht. «
    Ich legte den Hörer auf und ließ mich in meinen Stuhl zurückfallen. Ich schwitzte. Ich schaute aus dem Fenster, und mein Blick blieb an dem Telefonmast an der Ecke des Parkplatzes hängen. Dann schloss ich die Augen. Barry, sagte ich vor mich hin. Barry. Barry. Barry . Meine Worte lösten sich in Nichts auf. Barry. Barry . Vor meinem inneren Auge erschien sein Bild, die schmächtige Gestalt, das entschuldigende Gemurmel, der zu Boden gerichtete Blick, die zugeknöpften Manschetten, seine bleistiftdünnen Arme und die Nikotinfahne. Barry. Dann begannen meine Gedanken durcheinanderzurasen wie Ameisen, nachdem jemand ihren Ameisenhügel zertreten hat. Ich hätte

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