Der Gluecksmacher
Morgen erwachte Dimsch früher als gewöhnlich. Er verspürte gespannte Vorfreude auf die Versicherung, sicherlich würde die Zeitung mit ihm auf dem Cover
das
Gesprächsthema schlechthin sein. Ein bisschen zu viel der Ehre war der Artikel freilich, aber er würde sich entsprechend bescheiden verhalten, einfach so tun, als sei die Sache überhaupt nicht der Rede wert. Gegenüber seiner Frau hatte er ja auch getan, als ginge ihn die Geschichte kaum etwas an. Wie gleichgültig hatte er die Zeitung auf den Küchentisch geworfen, und so brauchte es auch einige Zeit, bis sie sein Foto auf dem Titelblatt bemerken konnte. »Der Glücksmacher«, hatte Sophie den Titel abgelesen, geschmunzelt und ihm einen knappen Kuss auf den Mund gedrückt, »gratuliere, Sebastian.«
Unmittelbar darauf musste er beobachten, wie seine Frau die Zeitung gleich wieder zur Seite legte.
»Steht nichts Besonderes drin«, hatte er mit wegwerfender Geste reagiert, und Sophie hatte geantwortet, dass sie die Geschichte gewiss noch lesen werde, aber die Kleine habe Hunger und der Junior gehöre in die Badewanne, ob er das denn nicht übernehmen könne.
Eine Station vor der Versicherung konnte die Straßenbahn nicht weiterfahren. Aus technischen Gründen, wie von der Tonbandstimme zu erfahren war. Dimsch nahm es gelassen, ein kurzer Spaziergang würde ihm guttun, so könnte er sich entspannen, bevor die Kollegen über ihn herfielen.
Beim Näherkommen stieg der Geruch von fettigem Ruß in seine Nase, von verbranntem Plastik. Ein klein wenig roch es auch nach Wunderkerzen. Er beschleunigte seine Schritte. Als Dimsch um die Ecke bog, sah er es: Die Versicherung stand in Flammen.
Das Bild der Zerstörung fuhr so schmerzlich in ihn, als brenne nicht seine Arbeitsstätte, sondern sein Heim. Kurz glaubte Dimsch, das Gleichgewicht zu verlieren, da rauschte ein schwarzer Vogel dicht über ihn hinweg. Es sah aus, als spiegle sich Feuer in seinem Gefieder.
Hinter dem Plastikband, das von den Feuerwehrmännern als Absperrung gespannt worden war, wuchs eine Menschentraube an. Etliche Einsatz- und Löschfahrzeuge, Rettungs- und Polizeiautos waren da, Reporter und Fotografen liefen umher, drei Kamerateams filmten die mehrere Meter hoch lodernden Flammen, und bestaunt wurde das lautstarke Spektakel von sicherlich fünfzig Schaulustigen und noch einmal so vielen Mitarbeitern. Dimsch drängte sich durch die Masse, erkundigte sich nach der Brandursache, die niemand kannte, Brandstiftung war die meistgenannte Mutmaßung.
»Und wann können wir wieder in die Büros?«, wollte Dimsch wissen und bekam auf die absurde Frage nur Kopfschütteln zur Antwort. Es war augenscheinlich, dass das Gebäude gänzlich zerstört war.
In der vordersten Reihe traf er auf Robert und Sabine. Als Dimsch in ihre Augen sah, bemerkte er, irgendetwas in ihren Gesichtern stimmte nicht. Während alle anderen Kollegen fassungslos waren, ängstlich, bestürzt, manche sogar weinten, schienen die beiden eine sonderbare Freude zu verbergen.
»Ersten Gerüchten zufolge«, schrie wenige Meter entfernt ein Reporter in die laufende Kamera, »und das ist überaus kurios, ist die Secur AG nicht einmal ordnungsgemäß gegenFeuer versichert. Die Geschäftsleitung unter Irene Großburg, hört man hier, wollte Geld sparen und hat die Versicherungspolice illegalerweise beim eigenen Institut abgeschlossen. Frau Großburg«, plärrte der Reporter weiter gegen den Lärm an, »war bisher für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, ebenso wenig wie der PR-Chef des Unternehmens, Rainer Torberg. Jedenfalls ein Kuriosum mehr rund um diesen Brand des Jahres.« Er wies mit dem Arm Richtung Flammen. »Und damit vorerst zurück ins Studio.«
»Was meint er damit? Welche Kuriositäten gibt’s denn noch?«, fragte Dimsch, dicht zu Sabine und Robert gebeugt.
Die beiden blickten einander an.
»Es schwimmt«, sagte Robert mit funkelnden Augen.
»Was?«
»Mein Schiff. Du hast gesagt, es wird niemals schwimmen. Und nun schwimmt es. Im Löschwasser.«
Es war eine von zwei Kuriositäten, die ein Feuerwehrmann dem befreundeten Reporter zugerufen hatte. »Das musst du dir anschauen«, hatte er geschrien, »da drinnen ist ein Zimmer, in dem schwimmt ein Schiff, ein Modellschiff, aber riesig, nimmt den ganzen Raum ein. Mit Steuerruder und allem Drumherum. Und weißt du was? Das Schiff hat eine Besatzung, das musst du dir anschauen. Sicher zwei Dutzend Mäuse an Deck. Ja, kleine Mäuse. Und zwei Türen weiter«, hatte er
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