Der goldene Buddha
ebenfalls nicht. Auch er tötete ohne Skrupel, wenn er irgendeine Gefahr sah.
Ong-Pal fuhr mit dem Finger über die Karte, während der kalte Morgenwind von den Eisgletschern ins Hochtal herunterfuhr und die Parkas der beiden Männer flattern ließ.
Mit dem Finger der rechten Hand deutete er nach Osten, wo sich das Hochtal verengte und herabfallendes Gletschergeröll einen dichten Steinwall bildete.
»Dort müssen wir durch, dann können wir das Kloster sehen.«
Ghaliwa nickte. »Wie lange wird es dauern?«
»Fünf Stunden.«
Wieder das Nicken. Ghaliwa sprach wenig. Er war ein Mann der Tat.
Er stellte auch kaum Fragen. Auf ihn konnte man sich hundertprozentig verlassen. Und er murrte oder beschwerte sich selten, was bei einem Unternehmen wie diesem ungeheuer wichtig war.
»Vor dem Abend dringen wir dann in das Kloster ein«, fuhr Ong-Pal fort und grinste spröde. »Die Mönche werden uns keinerlei Schwierigkeiten bereiten, wenn doch, töten wir sie.«
»Ja.« Mehr sagte der Afghane nicht.
Ong-Pal rollte die Karte zusammen und steckte sie weg. Dann zog er seine Handschuhe über. Das Gepäck hatten sie bereits geschultert.
Sie wollten es am Fuße des Klosters zurücklassen, damit es sie auf ihrer letzten Etappe nicht behinderte, denn der Pfad zum Kloster hoch war ungeheuer schwierig zu begehen. Sie marschierten los. Leicht gebückt gingen sie. Ong-Pal als letzter, er ließ dem Mann aus den afghanischen Bergen immer den Vortritt.
Ghaliwa lief wie eine Maschine. Monoton, gleichmäßig, auch bei besser begehbaren Strecken. Dafür wurde er auch nicht langsamer, wenn das Gelände schwieriger wurde.
Die Sonne wanderte höher.
Sie wurde jetzt wärmer und schmolz den Reif der Nacht von den Steinen.
Zwei Stunden vergingen. Zwei kleine, einsame Punkte wanderten über die gewaltige Hochebene. Sie waren nur zu sehen, wenn man genauer hinschaute. Hin und wieder nahm einer der Männer einen Schluck Wasser aus einem griffbereit hängenden Ziegenlederschlauch. Er war ziemlich leer, doch die beiden Diebe hatten keine Angst, ihn nicht mehr auffüllen zu können.
Wasser gab es in den Bergen genug.
Ein Bergadler begleitete ihren Weg. Er kreiste hoch über ihnen, und Ong-Pal hätte ihn gern abgeschossen, doch die Entfernung war zu groß. Zudem wollte er keine Munition vergeuden.
Auch andere Tiere schauten ihnen zu. Zähe Bergziegen und kletter gewandte Steinböcke, die auch in den europäischen Alpen an einigen einsamen Bergstellen noch zu finden sind.
Schritt für Schritt näherten sie sich ihrem Ziel. Sie sprachen nicht miteinander, sondern wanderten durch die Stille der grandiosen Bergwelt des Himalaya.
Beide hörten auch das Rauschen und blieben stehen. Dieses typische Geräusch konnte nur von einem Wasserfall stammen. Sie schauten nach rechts. Fast senkrecht wuchs dort eine Steilwand hoch, und aus ihr schäumte kraftvoll das Wasser. Sonnenstrahlen erzeugten ein farbiges Spektrum.
Ghaliwa drehte den Daumen in die entsprechende Richtung. Ong-Pal wusste Bescheid.
Wenige Minuten später befanden sie sich dort, wo der Wasserfall in die Tiefe stürzte, sich in einem Steinbecken sammelte und durch eine Felsrinne fortgespült wurde.
Die Männer füllten ihre Ziegenlederschläuche nach. Auch dies taten sie schweigend. Nachdem sie sich selbst noch einmal erfrischt hatten, zogen sie weiter.
Als die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, sahen sie vor sich den gewaltigen Steinwall. Die Ausläufer hatten sie bereits in der letzten halben Stunde überquert, da waren sie nicht so rasch vorangekommen, weil es doch mühsam war, über die großen Steine zu balancieren.
Jetzt suchten sie nach einem etwas bequemeren Weg, um über den Wall zu gelangen. Es gab ihn nicht.
Auch war es gefährlich, ihn zu überklettern, denn immer nachrollendes Geröll hatte die Steine des Walls gelockert und auch brüchig gemacht.
An der rechten Seite ging es etwas besser. Ong-Pal hatte den Weg entdeckt, und Ghaliwa schloss sich dem Tibeter an, nachdem beide einen Teil des Gepäcks abgelegt hatten.
Es wurde eine mühselige Kletterei. Jeder Yard musste erst geprüft werden, ob die Steine auch hielten. Manchmal kippten sie weg. Ong-Pal wurde einmal hart an der Schulter getroffen, als ein Männer Kopf großer Felsbrocken auf ihn fiel, doch der Afghane zuckte mit keiner Wimper. Er konnte Schmerzen aushalten. Nicht umsonst gehörte er zu den wenigen, die eine Folterung im Gefängnis von Kabul lebend überstanden hatten.
Immer wieder fand der Mann
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