Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucius Apuleius
Vom Netzwerk:
Proserpinens Gemach.
    Allda widersteht sie jeder freundlichen Einladung. Nicht der weichgepolsterte Thron der Königin der Hölle, nicht ihre Göttertafel verführt sie. Demütig setzt sie sich zu den Füßen ihrer leutseligen Wirtin auf den harten Boden, begnügt sich mit schwarzem Brote und richtet alsdann getreulich der Venus Gesandtschaft aus.
    In kurzem bekommt sie die Büchse, insgeheim mit dem Verlangten angefüllt, zurück.
    Sie verschließt nun wieder mit dem andern Kuchen des Cerberus fürchterlichen Rachen, fährt für den andern Stüber zurück über den schleichenden Acheron, und schon verläßt sie hochgemut die Hölle; schon erblickt sie, schon trinkt ihr Auge wieder mit Wonne das schimmernde Tageslicht und beflügelt sich mit Eile ihr Fuß, im Nu das gefährliche Geschäft zu vollenden – indem, so beschleicht, betört verwegener Vorwitz ihren Sinn.
    ›Siehe,‹ spricht sie, ›wärest Du nicht eine Törin, Psyche! Du hättest hier die Götterschönheit in Händen und legtest Dir nicht einmal ein ganz klein wenig davon auf? Dadurch könntest Du ja allein Deinem schönen Liebhaber wieder gefallen!‹
    Gedacht, versucht. Auf ist die Büchse. Allein wehe! Da ist keine Schönheit, da ist nicht das Geringste darin. Nur ein höllischer Schlaf, ein wahrer Totenschlaf.
    Sobald der Deckel geöffnet ist, fährt er hervor, ergreift Psyche, gießt sich in einem Gewölk schwerer Schlummerdünste um all ihre Glieder und streckt sie sofort unbeweglich am Boden hin. Da liegt sie auf dem Wege, eine schlafende Leiche!
    Aber Kupido war allbereits wiederhergestellt von seiner Wunde und vermochte nicht länger die langwierige Abwesenheit seiner Psyche zu ertragen. Er entschlüpft durch ein Fenster aus der Kammer, worin er eingesperrt gehalten wurde und seine Flügel, die desto mehr Schwingkraft durch die lange Ruhe erhalten hatten, tragen ihn schneller als jemals davon, hin zu seiner Psyche.
    Sorgfältig nimmt er sogleich den Schlaf von ihr hinweg, verschließt ihn wiederum in die Büchse und erweckt dann Psychen mit der Spitze eines unschädlichen Pfeiles.
    ›Sieh,‹ sagt er zu ihr, ›warst Du nicht schon wieder durch Deinen Vorwitz verloren? Doch gehe nur jetzt und entledige Dich geflissentlich Deines Auftrages bei meiner Mutter, ich will schon weiter für uns sorgen.‹
    Mit den Worten hebt sich der holde Flieger in die Luft; Psyche aber trägt allsofort der Venus Proserpinens Geschenk hin.
    Kupido, nicht minder von Liebe zu Psyche als von der Furcht genagt, seine Mutter möge ihn doch noch der
Mäßigkeit
übergeben, da ihr Blick noch immer zürnet, nimmt hinwiederum zu seinen gewöhnlichen Ränken seine Zuflucht. Er schwingt sich auf rüstigem Gefieder zum hohen Pole des Himmels, klagt da dem großen Jupiter seine Not und macht denselben alsbald seinen Wünschen geneigt.
    Liebreich küßt ihn Zeus, mit der einen Hand den kleinen Mund sanft ihm zusammendrückend, mit der andern ihn zu sich hinziehend, und spricht zu ihm also:
    ›Du kleiner loser Schelm! hast Dich zwar jederzeit mehr als mein Herr betragen, denn als mein Sohn, hast mir nie die von allen Göttern mir einhellig zugestandene Ehre erzeigt! So könnte ich es denn nun wohl ahnden, daß Du mich, den Gesetzgeber der Elemente, mich, den Roller der Sphären, fast beständig zum Ziele Deiner Pfeile genommen und zu so vielen Torheiten mit irdischen Schönen, zu so vielen Verstößen gegen alle Gesetze der Zucht und Ehrbarkeit verleitet hast, daß ich beinahe allen Anspruch auf Ehre und Glimpf verloren habe. Hat mich doch Dein Mutwille bis zu Drachen, zu Feuer, zu Vögeln, zu allerhand wilden und zahmen Tieren herabgewürdigt. Allein, ich will mich nur meiner Liebe zu Dir erinnern. Du bist ja unter meinen Augen aufgewachsen. Ich will alles tun, Dich glücklich zu machen; nur bleibt die Sorge, Dich vor Nebenbuhlern zu schützen, Dein eigen! Doch weißt Du, was ich mir bei Dir kleinem Schalk für diese Huld zur Vergeltung ausbedinge? Das hübscheste Mädchen auf Erden!‹
    Er sprach's und erteilte dem Merkur Befehl, augenblicklich die gesamten Götter zur Versammlung zu berufen und anzukündigen, wer fehle, solle mit zehntausend Nummen büßen, Aus Furcht vor der Strafe ist in kurzem kein Platz im weiten himmlischen Versammlungssaale mehr leer.
    Majestätisch vom erhabenen Throne herab spricht nun Jupiter also:
    ›Ihr sämtlichen Götter und Göttinnen, deren Namen in den Denkbüchern der Musen verzeichnet sind, Ihr kennt alle diesen Jüngling, der hier unter

Weitere Kostenlose Bücher