Der goldene Esel
was wir mitgebracht hatten, beiseite, bekümmerten sich weiter weder im Guten noch im Bösen so wenig um das Pferd als um mich, sondern sahen nur nach den Verwundeten, die sie zurückgelassen hatten, und dann rannten sie abermals fort, um, wie sie sagten, noch die letzte Nachlese zu halten.
Inzwischen die geschehene Bedrohung des Todes blieb mir wie ein Stachel im Herzen zurück.
»Was stehst Du da, worauf wartest Du noch, Lucius?« sprach ich zu mir selber. »Dein Urteil ist gesprochen, Dir ist der bitterste Tod bereitet! Wie Du siehst, braucht's auch weiter keiner großen Anstalten zur Exekution, die nahen Felsen da mit den spitzen, hervorragenden Klippen, die scheinen nur darauf zu warten, Dir den Garaus zu machen. Wohin Du auch fallen magst, wirst Du nicht ganzbeinig davonkommen. Hätte Dich Deine heillose Magie nur noch gänzlich zum Esel gemacht. Aber da hat sie Dir nur des Esels Ansehen und Elend gegeben und statt seines dicken, unempfindlichen Felles, die feine dünne Haut eines Blutegels! Ermanne Dich denn und rette Dich, da es noch Zeit ist! Jetzt, da die Räuber abwesend sind, hast Du die schönste Gelegenheit zur Flucht; denn vor dem alten Gespenste von Weib wirst Du Dich ja nicht fürchten? Die kannst Du Dir mit einem einzigen Schlage, und wär's auch nur mit dem lahmen Fuß, vom Halse schaffen. Aber wohin fliehen, wo unterkommen? Nun, da haben wir den Esel! Als ob nicht jedweder Vorübergehende einen Kauz wie Dich mit offenen Armen aufnehmen würde, auf dem er, statt des mühsamen Gehens, ruhig nach Hause reiten kann!«
Und somit war auch der Riemen, mit dem ich angebunden, den Augenblick zerrissen, und dahin trollte ich.
Unterdessen konnte ich den Spionenaugen der alten Hexe nicht entgehen. Sie sah mich losmachen, lief herbei, und mit einem Mute, den ich weder ihrem Geschlechte noch ihrem Alter zugetraut hätte, fiel sie mir in den Zügel und suchte mit all ihren Kräften und mit den besten Worten von der Welt mich zurückzuhalten. Allein alles verfing bei mir nicht. Der Drohung der Räuber wohl eingedenk, ließ ich mich von keinem Mitleide rühren. Ich versetzte ihr mit den Hinterfüßen einen solchen Schlag, daß sie die Beine in die Höhe kehrte. Gleichwohl ließ sie den Zügel nicht fahren. Ich schleppte sie eine weite Strecke hinter mir her. Sie kreischte laut auf, sie rief, sie schrie aus vollem Halse um Hilfe. Niemand kam, denn es war niemand da, der ihr helfen konnte, außer dem einzigen gefangenen Mädchen. Diese kam am Ende auf das gelle Geschrei wirklich herbei; aber sie sah nicht sobald das merkwürdige Schauspiel – die alte Dirce , zwar nicht von einem Stier, sondern von einem Langohr geschleift –, als sie sich schier mit männlicher Kühnheit der schönsten Tat unterfing.
Sie riß der Alten den Zügel aus den Händen, besänftigte mich durch schmeichelndes Klopfen, schwang sich dann behend auf meinen Rücken und sprengte mit mir davon.
Ich, der ich schon vorher von Begierde, zu entfliehen, entflammt war und jetzt sowohl durch den Wunsch, das Mädchen zu retten, als durch die oft wiederholten Streiche, die ich bekam, dazu noch weit mehr angereizt wurde, ich schlug wie ein edles Roß mit leichtem Hufe den Boden und wieherte fröhlich in den sanften Zuruf des Mädchens. Auch drehte ich zuweilen meinen Nacken zurück, und unter dem Scheine, mich auf dem Rücken zu jucken, küßte ich meiner holden Reiterin niedliche Füßchen.
Endlich holte das Mädchen einen tiefen Seufzer, sah mit kummervollen Blicken gen Himmel und sprach:
»O, Ihr Götter! steht mir bei in dieser äußersten Gefahr! Und Du, o Unglück! höre endlich auf, gegen mich zu wüten; ich habe Dir ja sattsam durch unaussprechliche Leiden gedient! Du aber, Du mein Befreier, mein Erretter, wenn Du mich wohlbehalten meinen teuren Eltern, meinem geliebten Bräutigam zurückbringst, o dann, wie werde ich Dir danken, wie hoch werde ich Dich ehren, wie köstlich werde ich Dich speisen! Deine Mähne sollen meine Hände mit Sorgfalt kämmen und mit meinem jungfräulichen Geschmeide ausschmücken, Deinen Schopf will ich kräuseln und zierlich schniegeln, die Haare Deines Schwanzes, die jetzt schmutzig und verworren aus Vernachlässigung herabhängen; mit Geflissenheit will ich die säubern und gefällig sie sondern; Du sollst über und über von goldenen Buckeln wie von himmlischen Sternen schimmern. Mit Jauchzen und Frohlocken soll Dich das Volk empfangen, so oft Du erscheinst, und in großem Gepränge Dich begleiten. Und
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