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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucius Apuleius
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täglich sollst Du aus meinem seidenen Schoß Dich in Mandelkern und Zuckerbrot sättigen. Doch bei all den leckeren Speisen, bei Ruhe und Gemächlichkeit und sonst allen Freuden des Lebens soll es Dir auch nicht an Ruhm fehlen! Ich will das Andenken meiner gegenwärtigen Flucht und des glücklichen Entkommens durch ein herrliches Denkmal verewigen. Ich will uns fliehend malen lassen, und feierlich soll dies Bild in der Halle meines Hauses aufgehängt werden. Bald, so wird man unsere Geschichte auch in Liedern und Komödien zu hören und zu sehen bekommen, und wer weiß, welch ein stattlicher Roman noch einst zum Titel führt: »Die auf einem Esel der Gefangenschaft entronnene königliche Prinzessin«. Du, guter Esel, wirst vielleicht auch noch die alten Wunder bestätigen helfen! Um der Wahrheit willen Deines neuern Beispiels wird man hinfort um so fester glauben, daß Phryxus auf einem Widder durch den Hellespont geritten, Arion von einem Delphin gerettet und Europa von einem Stiere nach Kreta getragen sei. Und hat Jupiter wirklich in Stieresgestalt gebrüllt, so kann ja wohl auch unter diesem Esel ein Mensch oder gar ein Gott verborgen sein!«
    Unterdessen das Mädchen also betete, schwatzte und mitunter auch wohl einmal tief und schwer seufzte, unterdessen kamen wir an einen Scheideweg.
    Sie ergriff sogleich den Zügel und wollte mich rechts lenken, weil da der Weg zu ihren Eltern ging.
    Da ich aber wußte, daß die Räuber diesen Weg genommen hatten, das Zurückgebliebene nachzuholen, so sperrte ich mich aus Leibeskräften dagegen, und in meinem Sinne hielt ich ihr folgende Standrede: »Was machst Du, was beginnst Du, unglückseliges Mädchen? Was eilst Du dem Tode gerade entgegen? Nie, nie werde ich meine Füße dazu herleihen, Dich und mich ins Verderben zu tragen!«
    Sie hörte nicht auf, mich links und immer links zu zerren, sie peitschte, sie stieß mich; aber keine Gewalt ward über mich Herr, ich stand und machte Männchen und wich lieber gar nicht von der Stelle.
    Indem wir so miteinander uneins waren, kamen die Räuber mit dem letzten Rest ihres Raubes dazu. Sie hatten uns schon von ferne beim Mondschein erkannt und wollten sich ganz tot über uns lachen.
    »Ei, gehorsamer Diener!« rief uns einer von ihnen ganz spöttisch zu. »Wohin so eilig noch so spät in der Nacht? Und Sie fürchten sich nicht vor Gespenstern? Vermutlich wollen Mamsell inkognito einen kleinen Besuch bei Dero Eltern abstatten? Mit Ihrer gütigen Erlaubnis werden wir Ihnen Gesellschaft leisten und auch einen nähern Weg zeigen.«
    Mit diesen Worten hatt' er mich schon beim Zügel erwischt und drehte mich um, nach der Höhle zu, und ließ dabei mit vieler Behendigkeit den Knüttel gar nachdrücklich auf meinem Leder spielen.
    Sobald ich wieder dem Tod, dem ich so zu entlaufen gedachte, wider Willen entgegen mußte, so war ich auch gleich wieder huf-, bug- und blattlahm. Ich hinkte, daß der Kopf ellenhoch auf- und niederschlug, und ich hätte das Spiel noch weiter getrieben, wenn mir nicht der Räuber, der mich wieder gehascht hatte, mit einem gewissen Tone zugerufen hätte:
    »Fängst Du schon wieder an zu zippern, zu humpeln und zu stolpern, du faule Bestie? Wart, ich will Dir die Füße kurieren. Sie schienen doch vorher eben so morsch nicht, als es aufs Entfliehen ankam! Da ging's ja wahrhaftig rascher noch mit Dir vom Flecke als mit dem geflügelten Pegasus!«
    Während des Prügelwetters, das dies Kompliment begleitete und erst gar kein Ende nehmen wollte, gelangten wir zur äußersten Schanze der Räuberburg.
    Siehe, da hing die Alte, einen Strick um den Hals, an dem Ast einer hohen Zypresse. Sie schnitten sie flugs ab und schleuderten sie, so wie sie war, an ihrem Halsbande in den nächsten Abgrund hinunter. Nach dem Leichenbegängnis wurde das Mädchen erst in Ketten und Bande gelegt, und dann ging's gleich wie reißende Tiere über die Mahlzeit her, welche das arme alte Weib ihnen noch zu guter Letzt zubereitet hatte.
    Nach Verlauf einiger Zeit, während welcher die Vielfräße nur mit einem dumpfen Geräusch ihrer Gefräßigkeit opferten, kam endlich unsere Flucht auf das Tapet, und wurde Rats gepflegt, wie man uns dafür am füglichsten zu bestrafen hätte. Bunt ging's da zu: so viele Köpfe, so viele Sinne. Der eine wollte, das Mädchen sollte lebendig verbrannt werden, der andere war der Meinung, man müsse sie wilden Tieren vorwerfen, der dritte hing sie an den Galgen, der vierte zerfleischte sie auf der Folterbank.

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