Der goldene Esel
es auf einen Haufen zusammen.
›Da,‹ spricht sie nun, ›Du Scheusal! sieh zu, ob Dir hier Deine Emsigkeit eben wie im Buhlen will zustatten kommen! Lies mir dies vermengte Gesäme auseinander! Mache von jeglicher Art einen besonderen Haufen, und eh es noch Abend wird, sei mir damit fix und fertig!‹
Nach so angewiesener Arbeit begibt sie sich zu einem Hochzeitsschmause.
Psyche bleibt stumm und starr vor ihrem aufgegebenen Geschäfte stehen. Die Unmöglichkeit, es zu vollenden, benimmt ihr den Mut, nur Hand daran zu legen.
Allein eben hielt sich eine kleine Ameise da auf. Es jammerte sie so große Bedrückung der Gattin eines mächtigen Gottes und erregte all ihren Abscheu gegen die Grausamkeit der Schwiegermutter. Stracks läuft das gute Tierchen und ruft und bittet in aller Geschwindigkeit sein ganzes benachbartes Geschlecht zusammen.
›Herbei!‹ schreit es, ›herbei! Ihr arbeitsamen Kinder der allgebärenden Erde! Kommt, erbarmt Euch Amors schönen Weibes und rettet es durch schleunige Hilfe aus der sonst unvermeidlichen Gefahr!‹
Wie ein Strom stürzen die Ameisen der Gegend alle, eine über die andere, in Eile herzu. Der Boden wimmelt. Sie fallen über den ungeheuren Gesämhaufen her, sondern mit Sorgfalt Art von Art, machen von jeglicher einen eigenen Haufen und verschwinden wieder, nachdem alles vollbracht ist.
Als nun bei einbrechender Nacht Venus, von Weine triefend und duftend von Balsam und mit tausend blühenden Rosen geschmückt, vom Hochzeitsgelage nach Hause zurückkehrt, erstaunt sie nicht wenig, da sie Psychens Aufgabe getan findet. ›O,‹ ruft sie, ›das ist nicht Dein, nicht Deiner Hände Werk, Du Nichtswürdige! sondern dessen, dem Du zu Deinem und seinem Unglück gefallen hast!‹ Hiermit wirft sie ihr nur ein Stück grobes Brot hin und geht schlafen.
Aber Kupido war in dem nämlichen Palaste, ganz im Innersten des Hauses, in einem besonderen Zimmer, allein, unter äußerst strenger Aufsicht, damit er nicht etwa Mutwillen treiben und seinen Schaden verschlimmern oder gar entwischen und seiner Geliebten zufliegen möchte.
So zusammen unter einem Dache, einander so nahe und darum nicht weniger getrennt: welche Nacht, welche abscheuliche Nacht für beide Liebende.
Kaum aber fährt Aurora herauf, so ruft Venus schon Psychen.
›Siehst Du den Wald da,‹ sagte sie ihr, mit der Hand nach demselben hinzeigend, ›welcher sich längs den Ufern jenes Flusses erstreckt, dessen Quellen dort auf dem nahen Berge entspringen? Ungehütet weiden darin fette Schafe mit goldenen Vließen; stracks gehe hin und sieh zu, wie Du mir einen Flocken von ihrer köstlichen Wolle herbringst!‹
Willig machte sich Psyche dahin auf den Weg. Zwar nicht in der Absicht, den Befehl zu vollbringen, sondern sich vom Ufer in die Tiefe zu stürzen, um endlich einmal vor allen Leiden Ruhe zu haben. Allein bald wisperte ihr vom Flusse her das grüne melodische Schilf, von einem Gotte durch sanfter Lüfte lindes Geflüster beseelt, diese Worte entgegen:
›Besiege Deine Verzweiflung, Psyche! und entweihe nicht mein heiliges Gewässer durch Deinen Tod, noch begegne jetzt, ich bitte, diesen furchtbaren Schafen! Sie pflegen, so lange die Sonne im Mittag brennt, die Glut derselben zu teilen und toben in unbändiger Wut, mit spitzem Gehörn, mit eisernem Schädel, ja mit giftigem Gebisse, jeglichem Sterblichen den Untergang drohend. Warte, bis der nahende Abend die Sonnenhitze mildert und dann sich die Tiere im frischen Wehen vom Gestade her abkühlen und besänftigen. Verbirg Dich inzwischen unter der breitblättrigen Platane dort, die einen Strom mit mir trinkt. Sobald sich aber der Schafe Wut gelegt hat, gehe hervor und schleich Dich näher herzu in den Wald, wo Du an Gesträuchen und Stämmen hin und wieder Flocken wolligen Goldes wirst hängen finden.‹
Diesen heilsamen Rat erteilte das mitleidige Schilf der verzweiflungsvollen Psyche. Sie verschmäht ihn nicht, pünktlich befolgt sie ihn, und sonder Mühe bringt sie der Venus den Schoß voll verlangter Goldwolle zurück.
Aber so gefahrvoll auch diese zweite Arbeit gewesen war, sie besänftigte dennoch die Göttin so wenig als die erste; denn sie schrumpfte die Augenbrauen und sagte mit bitterem Lächeln: ›Du hast Ursache, Dich bei Deinem Gehilfen zu bedanken, in der Tat, er hat Dir gute Dienste geleistet! Doch jetzt auch ein Pröbchen von Deinem unerschrockenen Mut und Deiner großen Klugheit! Du siehst doch auf dem hohen Berge da die schroffe Felsenspitze
Weitere Kostenlose Bücher