Der goldene Esel
Nur darin stimmten sie allesamt überein, daß sie das Leben verwirkt habe.
Zuletzt, als der größte Lärm sich gelegt, hub einer mit vieler Gelassenheit also zu reden an:
»Kameraden! Es würde nicht mit der Regel unseres Ordens, nicht mit der Sanftmut eines jeglichen unter uns, nicht mit meiner eigenen Gerechtigkeitsliebe übereinstimmen, wenn ich zulassen wollte, daß ihr jetzt bei Bestrafung des gegenwärtigen Verbrechens so alles Maß überschrittet und alles Ziel. Hinweg mit den wilden Tieren, dem Galgen, dem Feuer, der Folterbank und überhaupt mit jedem frühen, schleunigen Tode. Wollt Ihr meinem Rate folgen, so schenkt dem Mädchen das Leben; aber schenkt es ihr so, wie sie es verdient. Ihr erinnert Euch, was Ihr schon längst über den Esel da beschlossen habt. Schon immer unausstehlich faul mit den Füßen, aber desto geschäftiger mit den Kinnbacken, hat er sich durch verstelltes Unvermögen und durch gutwillige Beihilfe zur Flucht des Mädchens jetzt noch schuldiger gemacht als jemals. Laßt uns diesen morgigen Tags erwürgen, ihn völlig ausnehmen; das Mädchen, das er uns hat davontragen wollen, nackend in seinen Bauch einnähen, so daß sie nur mit dem Gesicht hervorragt, mit dem übrigen Leibe aber ganz in ihm eingefuttert ist; darauf laßt uns diesen gefüllten Esel nehmen und auf einen hohen freien Felsen tragen und ihn da an den Strahlen der Sonne braten. Auf diese Art leiden beide Verbrecher, was Ihr ihnen mit so vieler Klugheit bestimmt hattet. Der Esel den Tod, den er längst schon verdient gehabt; das Mädchen aber die Bisse der wilden Tiere, wenn die Würmer ihre Glieder zernagen, die Glut des Feuers, wenn die allzu große Sonnenhitze ihre Hülle entzündet, alle Marter des Galgens, wenn Hunde und Vögel ihr die innersten Eingeweide aus dem Leibe reißen, und außerdem noch weit andere größere Qualen und Drangsale mehr. Denn lebendig muß sie den Bauch eines verreckten Viehes bewohnen, muß beständig den unausstehlichen Gestank des Aases einatmen, muß vor Hunger elendiglich, allmählich hinsterben, ohne daß ihre freien Hände ihr den Tod zu geben vermögen.«
Als er so gesprochen, ging alles einmütig zu seiner Meinung über. Mir, der ich's mit gereckten Ohren so mit anhörte, blieb weiter nichts übrig, als meine morgige Leiche zu beweinen.
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Siebentes Buch
Sobald nach vergangener Finsternis der Tag anbrach, und der glänzende Sonnenwagen alles erleuchtete, kam noch ein neuer Kamerad der Räuber an. Nach gegenseitiger freundlicher Begrüßung setzte er sich in den Eingang der Höhle hin, ließ sich ein wenig zu Atem kommen und erstattete darauf seinen Kollegen folgenden Bericht:
»Was des Hypaters Milo Haus anlangt, das wir neulich beraubt haben, so dürfen wir deshalb ganz ruhig und außer Sorgen sein. Nachdem Ihr, tapfere Kameraden, alles ausgeräumt hattet und nach unserem Standquartier zurückgezogen waret, mischte ich mich, wie Ihr es mir befohlen, unter die zusammengelaufenen Leute, schimpfte und klagte weidlich mit ihnen über die geschehene Untat, paßte aber wohl auf, was man wegen Untersuchung derselben beschließen möchte, und ob überhaupt oder inwiefern darüber Nachsuchung angestellt werden sollte.
Hier ist, was ich eingezogen!
Jedermann gibt, nicht auf Mutmaßung, sondern aus wahrscheinlichen Gründen, einen gewissen Lucius für den unzweifelhaften Täter des geschehenen Diebstahls an. Dieser Schelm habe sich vor kurzem durch falsche Empfehlungsschreiben bei dem Milo eingeschlichen und sei von demselben als Gastfreund in sein Haus aufgenommen worden. Daselbst habe er sich verschiedene Tage aufgehalten, während welcher er die Magd des Milo durch unerlaubten Umgang auf seine Seite gebracht und alle Schlösser des Hauses und alle Behältnisse, worin der Wirt sein Vermögen verwahrt, untersucht und ausgekundschaftet. Es wäre auch nicht die geringste Spur von dem Bösewichte zu entdecken. Er wäre mit dem Augenblicke, da der Diebstahl geschehen, verschwunden und nirgend mehr anzutreffen. Auch hätt' es ihm nicht an Mitteln gefehlt, seine Flucht zu beschleunigen und den Nachsetzern zu entgehen, da er gleich zu der Absicht mit einem schönen Schimmel versehen gewesen. Zwar habe man seinen Kerl noch im Hause gefunden und denselben in Verhaft genommen, weil man geglaubt, er würde die Anschläge seines Herrn verraten. Allein ungeachtet dieser den andern Tag lange gefoltert und fast bis auf den Tod gemartert worden, so habe er doch nicht das geringste Nachteilige
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