Der goldene Esel
vergleichen. Ohne von seiner übrigen stammhaften Leibesstatur zu reden, war er noch einen Kopf größer als alle insgesamt, und das Milchhaar kräuselte sich kaum erst auf seinen Wangen. Sein Anzug bestand aus lauter Lumpen von allerhand Farben, die übel zusammengefitzt waren, kaum bedeckten sie ihn halb; allenthalben strebte daraus eine breite Brust und ein mit dicker Schmutzrinde überzogener Leib hervor.
Als er hereintrat, sprach er:
»Seid gegrüßt, Ihr wackeren Diener des Gottes Mars, bald meine Brüder! und wollet willig unter Euch einen Menschen aufnehmen, der sich freiwillig anbietet, sein Leben schon oftmals gewagt hat, lieber Wunden als Geld empfängt und dem Tode, den andere scheuen, kühn Trotz zu bieten weiß! Glaubt nicht, daß Mangel oder Verworfenheit mich zu Euch treibe, und beurteilt meine Verdienste nicht aus diesen Lumpen; denn, wie Ihr mich hier seht, bin ich Hauptmann der allerstärksten Bande gewesen und habe ganz Mazedonien verwüstet. Ich bin jener berühmte Straßenräuber, der thrazische Hämus, bei dessen Namen ganze Provinzen zittern. Mein Vater hieß Thero und ist gleichfalls unter den Straßenräubern namhaft. Er hat mich mit Menschenblut gesäugt und mitten unter seiner Banditenbande erzogen. Ich bin Erbe und Nacheiferer seiner hohen Eigenschaften. Allein die ganze zahlreiche Gesellschaft, die er mir hinterließ, mitsamt den großen Schätzen allen hab ich innerhalb eines kurzen Zeitraums verloren, weil ich den ersten kaiserlichen Finanzminister, der in Ungnade gefallen war, im Vorbeigehen an der Seeküste angefallen hatte. Doch ich will Euch die ganze Sache in ihrer Ordnung erzählen.
Es lebte am kaiserlichen Hofe ein mit vielen Würden und Ämtern bekleideter Herr in großer Gunst und Ansehen. Neid machte sich an ihn, feindete ihn an, stürzte ihn; er ward relegiert. Seine Gemahlin, eine gewisse Plotina, eine Frau von seltener Treue und Tugend, die ihrem Gatten schon zehn Kinder geboren, verschmähte und verachtete der Hauptstadt üppige Ergötzlichkeiten, teilte den Kummer ihres Gemahls und gesellte sich ihm im Elende als Gefährtin zu. Sie schor sich das Haar ab, kleidete sich wie eine Mannsperson, versteckte Juwelen, Geschmeide und Spargeld in ihrem Gürtel und ging so unerschrocken unter der Wache und unter den blanken Schwertern einher, jeglicher Gefahr teilhaftig, immer wachsam auf die Wohlfahrt ihres Gemahls und mit echtem männlichem Mut alle Mühseligkeiten erduldend.
Schon waren fast alle Beschwerlichkeiten und Gefahren der Reise, zu Wasser und zu Lande, glücklich überstanden, und man steuerte auf Zacynthus los, welches dem Verbannten vor der Hand zum Aufenthalt war angewiesen worden, als man sich einfallen ließ, vorher am actiischen Gestade noch anzulegen, allwo wir eben, nachdem wir von Mazedonien herabgekommen waren, unser Wesen trieben. Die ganze Schiffsmannschaft verließ das Schiff, um in einem kleinen Wirtshause, nicht weit vom Meere, zu übernachten. Wir überfielen sie darin und plünderten sie rein aus, wiewohl nicht ohne die allergrößte Gefahr; denn sobald nur Plotina das erste Geräusch an der Haustüre hörte, stürzte sie in die Stube hinein und machte durch ihr ängstliches Geschrei alles wach. Soldaten, Bediente, die ganze Nachbarschaft rief sie zu Hilfe, und hätten sich nur die Leute nicht alle selbst gefürchtet und vor Angst verkrochen, wir wären nimmermehr so ungestraft davongekommen.
Hierauf kam das treue Biederweib (denn ich muß ihr Gerechtigkeit widerfahren lassen) mit ihren Bitten bei dem Kaiser ein, und da sie ihrer Klugheit und ihres guten Herzens wegen allgemein beliebt ist, so erhielt sie sowohl die schleunige Zurückrufung ihres Gemahls als auch vollständige Rache wegen der Beraubung.
Kurz, der Kaiser wollte nicht, daß des Hämus Straßenräubergesellschaft ferner bestehen sollte; den Augenblick war es auch damit aus. So viel vermag der bloße Wink eines großen Fürsten!
Als uns nun einige Kompanien Soldaten nachsetzten und alle meine Leute niedermachten, wischt' ich noch mit genauer Not und ganz allein davon.
Ich entkam dem Tode, der mich gleichsam schon in seinen Klauen hielt, auf folgende Art: Ich legte ein geblümtes Weiberkleid an, das hübsch weit und lang war und recht schlotterig saß, setzte eine Mütze auf, zog weiße dünne Schuhe an, wie das andere Geschlecht zu tragen pflegt, und also vermummt bestieg ich einen Esel, der Gerste trug, und ritt glücklich mitten durch die Haufen der mir nachstellenden Soldaten
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