Der goldene Thron
wollte.
»Vielleicht brechen wir ja morgen auf!«, sagte FitzPeter und verabschiedete sich.
Normandie, Sommer 1187
G uillaume bahnte sich den Weg über den staubigen Hof durch Karren, Vieh und Misthaufen. Die Schweine grunzten gereizt, als er an ihnen vorbeilief, Enten und Gänse schnatterten aufgebracht, und ein Ganter folgte ihm mit bedrohlichem Zischen in Richtung Stall. Mehr als ein Jahr war er nun schon am Hof Henrys II. Rastlos zog er mit dem königlichen Tross von einer Stadt zur nächsten, von einer Burg zur anderen, befehligte Truppen, ritt als Kundschafter voraus und spornte seine Männer an, im Kampf an den Waffen ihr Bestes zu geben. Dass er sich darüber hinaus mit Bescheidenheit schmückte und seine Meinung nur dann kundtat, wenn er danach gefragt wurde, hatte ihm schon bald die Anerkennung des Königs und nach und nach auch die jener Männer eingebracht, die ihm zunächst mit Abneigung und Argwohn begegnet waren.
Noch bevor er den Stall erreicht hatte, sprengte ein Reiter hinter ihm in den Hof, scheuchte das empört gackernde Federvieh auf und versetzte die Schweine so in Panik, dass sie laut quiekend auseinanderstoben. Guillaume blickte sich fragend um. Es war Prinz John, der mit Geringschätzung von seinem hohen Ross auf die Knechte herabsah, die umgehend herbeieilten, um ihm die Zügel abzunehmen. Zu Pferd machte der junge Prinz nicht einmal eine schlechte Figur, erst als er abstieg, war zu sehen, dass er von recht kleiner Statur war. Während seine älteren Brüder von beeindruckender Größe waren, rotwangig, frisch und strahlend, war Prinz John zudem noch mit blasser, leicht teigig aussehender Haut und dunkel umringten Augen geschlagen. Statt der gelassenen, selbstsicheren Ausstrahlung, die seinen Brüdern die Zuneigungvieler Menschen einbrachte, gab John sich herablassend, war herrisch, blasiert und überheblich. Mit dem Bild des kühnen Helden, das der junge Henry abgegeben hatte und das auch Richard verkörperte, konnte er nicht dienen.
Er ist ein Teufel, flüsterten die Leute hinter vorgehaltener Hand. Geschichten von brutaler Gewalt und Verschlagenheit rankten sich schon seit seiner Kindheit um den jüngsten Prinzen. Guillaume vermutete jedoch, dass er weder viel aufbrausender noch wesentlich hinterhältiger oder unberechenbarer war als sein Vater und die älteren Brüder. Vermutlich sah man ihm aber die Wutausbrüche und Verfehlungen nicht so leicht nach wie ihnen, weil er nicht annähernd so einnehmend war wie sie. Guillaume war dem Prinzen nicht oft begegnet, hatte ihn nicht aufwachsen sehen und ihm auch niemals auf dem Übungsplatz gegenübergestanden, darum empfand er weder Freundschaft für ihn noch Abscheu. Ein wenig Mitleid hatte er mit ihm, denn in den Augen des jungen Mannes hatte er jene enttäuschte Verzweiflung gesehen, die für nachgeborene Söhne geradezu schicksalhaft war. Wie aussichtslos musste es dem Prinzen erscheinen, als jüngster Sohn des Königs sein Leben lang hinter den älteren, mächtigeren Brüdern zurückzustehen und ihnen dienen zu müssen! Doch John war nicht nur der jüngste Sohn, er war auch derjenige, der den schmachvollsten Beinamen trug. John Ohneland genannt zu werden, musste sich anfühlen, als hätte man keinen Wert, auch wenn der Vater inzwischen dafür gesorgt hatte, dass der Prinz sehr wohl Ländereien und eigene Einkünfte besaß. Während die älteren Brüder Ritter waren, wie jeder sie sich vorstellte, breitschultrig, groß und strahlend, schien der kleinere, schmächtigere John einer dunklen Seite anzugehören. Obwohl sein Haar einen Rotstich hatte, war es doch nicht von jenem typischen hellen Rotblond, das den Plantagenêts eigen war, sondern dunkler, beinahe braun. Etwas Zorniges, Verschlagenes konnte in seinem Blick liegen, aber auch Trauer und Verletzlichkeit hatte Guillaume schon darin entdeckt, als John sich unbeobachtet gefühlt hatte. Niemand bei Hof schien zu verstehen,warum gerade er des Königs Lieblingssohn war. Guillaume jedoch rührte diese ungewöhnliche Zuneigung des Königs zu dem weniger perfekten Sohn und stimmte ihn milde in seinem Urteil über den Prinzen.
»Der König wünscht Euch zu sprechen, Maréchal!«, riss ihn ein zaghaftes Stimmchen aus seinen Gedanken.
Guillaume blickte verwundert nach unten und lächelte dann. FitzPeters Page, ein Junge von sieben, höchstens acht Jahren, sah scheu zu ihm auf. Er war noch nicht lange bei Hof und wirkte manchmal ein wenig verloren.
»Ich komme, mein Junge!«, sagte
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