Der goldene Thron
aus. »Nun kommt schon her, schließlich sollt Ihr heute erneut meine Güte und Großzügigkeit erfahren!«
Guillaume glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Mit allem hatte er gerechnet, mit einem Überfall des Franzosen, mit einem Angriff Richards, doch nicht mit so unerwartet glänzender Laune seines Herrn. Erstaunt sah er ihn an.
Der König schob ihm einen ungefähr fünfzehn Jahre alten Jungen entgegen. »Ich möchte Euch Jean d’Erlée aus Somerset vorstellen. Er ist der Sohn eines meiner Kammerherren.« Der König kratzte sich die kahle Stelle auf dem Kopf, die wie eine Tonsur aussah. »Seit Eustache de Betrimont zum Ritter geschlagen wurde, habt Ihr keinen Knappen mehr. Das bedarf dringender Änderung, darum will ich Euch den jungen d’Erlée anvertrauen.«
»Mylord!« Guillaume verneigte sich gerührt. Zum Weihnachtsfest war er mit der Vormundschaft für Heloise von Lancaster und der Aufsicht über Cartmel, einem großen königlichen Gut mit entsprechenden Einkünften, bedacht worden und hatte im Frühjahr die stattlichen Ländereien der blutjungen Lady besucht. »Ist es wahr, dass Ihr mein Gatte werdet?«, hatte ihn die dralle Mistress mit der flachen Stirn gefragt und ihn mit glitzerndenAugen begehrlich angelächelt. In der Tat hätte er Heloise von Lancaster heiraten und Erben mit ihr zeugen können, denn als ihrem Vormund stand ihm das Recht zu, ihr nach eigenem Gutdünken einen Gatten zu wählen. Ihre beachtliche Mitgift hätte ihn zu einem Baron von annähernd gleicher Bedeutung wie seinen älteren Bruder gemacht, doch Guillaume wollte mehr als das. Nicht nach der wahren Liebe trachtete er, denn die hatte er schon vor vielen Jahren gefunden, und der Gedanke, noch einmal einen Menschen so tief in sein Herz einlassen zu können wie Ellen, schien ihm absurd. Nein, es waren Wohlstand und Ansehen, vor allem aber Einfluss, nach denen er strebte. Überzeugt, den Gipfel seiner Möglichkeiten noch nicht erreicht zu haben, hatte er darum beschlossen, noch Junggeselle zu bleiben und seinem Mündel nur ein väterlicher Freund zu sein.
Dass der König ihm nun einen Jungen aus königstreuer Familie anvertraute, war ein neuerliches Zeichen seiner Anerkennung. Sie brachte Guillaume zwar keine Einkünfte ein, stellte jedoch die Gunst seines Herrn vor aller Augen unter Beweis.
Der König versetzte Jean d’Erlée einen kräftigen Schlag auf den Schädel. Wie bei einer plötzlichen Verbeugung schnellte der Kopf des Jungen nach vorn. »Auf diese Weise haben alle meine Pagen in kürzester Zeit gelernt, sich zu verneigen!« Henry II. lachte so sehr, dass sein Bauch wackelte. »Jean wird gewiss einen großartigen Knappen abgeben, auch wenn es vermutlich einer strengen Hand und einer Menge Geduld bedarf. Er ist verzärtelt – war er doch nie Page – und vollkommen unbedarft im Kampf mit Streitaxt, Lanze, Schwert und Fäusten. Auch ringen kann er nicht.«
Der Junge lief rot an.
»Immerhin hält er sich recht passabel auf dem Rücken eines Pferdes!« Der König lachte schallend, dann wurde er wieder ernst. »Er hat die letzten Jahre viel zu viel Zeit bei seiner Mutter verbracht«, erklärte er weiter. »Das Frauenzimmer hat ihn nicht fortlassen wollen, als er das rechte Alter dazu hatte, und sein Vater hat ihr nachgegeben.« Henry II. rollte mit den Augen. »Eine grässlichePlage sind Weiber, die ihren Männern keinen Gehorsam zollen!« Jeder im Raum wusste, dass er auf seine aufrührerische Gemahlin anspielte, die er nicht anders hatte unterwerfen können, als sie einzusperren. Einige Ritter lachten nervös, während andere lieber betreten schwiegen. Dass er Eleonore schon seit so vielen Jahren gefangen hielt, mochte in seinen Augen unabdingbar sein, behagte aber beileibe nicht allen seinen Anhängern.
Der Junge hingegen schien die Andeutung nicht begriffen zu haben. Er glaubte wohl, die Ehre seiner Mutter sei verletzt worden, und wollte schon aufbegehren, um sie zu verteidigen.
Guillaume legte ihm rechtzeitig die Hand auf die Schulter und sah ihn warnend an.
»Viele Stimmen bestätigten mir, dass Ihr ein großartiger Lehrer seid«, erklärte der König und hielt kurz inne.
Ob er sich fragt, was geschehen wäre, wenn er mich nicht zum Lehrmeister seines Sohnes gemacht hätte?, fragte sich Guillaume und räusperte sich verlegen.
»Schont den Jungen also nicht und macht einen Mann aus ihm«, fuhr der König fort.
»Das werde ich tun, Mylord! Mit der größten Freude.« Guillaume verneigte sich.
»Gut, gut!«
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