Der goldene Thron
wieder dem fröhlichen Gelage zu. Doch weder die heiteren Weisen der Musikanten noch die Kunststücke der Jongleure, die kleine sandgefüllte Bälle aus Ziegenleder und Kegel aus Holz durch die Luft wirbelten, weder die Lieder der Troubadoure noch die wogenden Hüften der Tänzerinnen, die sich zum Klang der Musik bewegten und die Männer mit vertraulichen Gesten umgarnten, konnten seine Aufmerksamkeit lange bannen. Immer wieder schweifte sein Blick zum König ab. Er war auch jetzt noch ein beachtlicher Mann, den seine Feinde fürchteten. Guillaume erinnerte sich genau an die Kriegsberatungen mit den Verbündeten seines Herrn. Voller Hochachtung hatten sie über den König und seineungewöhnlichen Strategien gesprochen und sich stets aufs Neue gefragt, wie er wohl handeln würde und was man tun konnte, um ihn zu besiegen. Erfolgreich waren sie mit ihren Spekulationen jedoch nicht gewesen. Henry II. war zu erfahren, zu gut gerüstet und zu klug gewesen, um sich durchschauen und von seinen Söhnen und ihren Männern niederringen zu lassen. Gut fünfzig musste er inzwischen sein, doch seine Schultern waren noch immer breit und seine Brust kräftig. Ob ihn die Auseinandersetzungen mit seinen Söhnen so sehr gegrämt hatten, dass sein Rücken nicht mehr so gerade war wie früher? Aufmerksam schaute der König auf die Männer in seiner Halle. Er schien alles zu sehen und seine Ohren überall zu haben. Sein Blick streifte Guillaume und hielt einen Moment inne. Ich habe meinen Sohn geliebt, auch wenn er mir großen Schmerz zugefügt hat, schienen seine Augen zu sagen.
Auch ich habe den jungen König geliebt, selbst wenn er manchmal ein Kindskopf war, dachte Guillaume. Nicht alle seine Entscheidungen habe ich gutheißen können, aber ich habe ihm stets zur Seite gestanden. Meine Treue gehört nun Euch, mein König. Er senkte den Blick für die Dauer eines Wimpernschlags, und als er aufschaute, nickte Henry ihm zu, als hätte er seine Gedanken erraten. Dann wandte er sich wieder den Männern an seiner Tafel zu, scherzte mit ihnen und ließ sich ein großes Stück Fleisch nachreichen. Sein Haar war von dem gleichen Rot wie das seines Sohnes, nur dass es von silbrig grauen Fäden durchzogen und nicht mehr so dicht war. Guillaume stellte zu seinem Erstaunen fest, dass er den König mochte, obwohl er in ihm doch so lange einen Feind gesehen hatte. Die Kraft, die er ausstrahlte, hatte etwas Anregendes und Beruhigendes zugleich. Dieser Mann, das sah man ihm an, war der Aufgabe, König zu sein, in der Tat gewachsen. Er strebte nach Macht wie viele Männer, wusste sie aber einzusetzen wie kaum ein anderer.
Wie so mancher Reiter hatte der König die Beine im Sitzen weit auseinandergestellt. Ein Lächeln huschte über Guillaumes Gesicht. Auch er saß oft so da. Nach einem langen Ritt war es,als könnte man das Pferd noch eine ganze Weile zwischen den Schenkeln spüren und sie nicht recht zusammenführen.
Der König griff nach einer Gänsekeule und biss hinein. Entschlossenheit, Mut und Beharrlichkeit sprachen aus jeder seiner Bewegungen.
»Erinnert Ihr Euch noch an den Kampf, bei dem der Herzog von Boulogne das Zeitliche segnete?«, rief einer der königlichen Ritter vom oberen Ende der Tafel und stürzte einen Becher Wein herunter. Die Männer um ihn herum lachten und begannen sofort, mit Einzelheiten aufzuwarten und mit eigenen Erfolgen zu prahlen. Seit das Festmahl begonnen hatte, erzählten sie eine Kriegsgeschichte nach der anderen. Von besetzten und zerstörten Burgen, von ihren fantastischen Siegen und den unzähligen Niederlagen ihrer Feinde.
»Wie ist das mit Euch, Maréchal? Entsinnt Ihr Euch ebenfalls?«, rief ihm der Ritter zu und fixierte ihn aus seinen stechend hellen Augen. Dann lachte er. »Ach, verzeiht, ich vergaß! Ihr gehörtet ja der falschen Seite an und wart bei den Verlierern. Für Euch muss das Ableben des Herzogs ein herber Verlust gewesen sein!« Er brüllte vor Lachen und schlug sich auf die Schenkel.
Täuschte sich Guillaume, oder zuckte auch um den Mund des Königs ein Hauch von Spott? Guillaumes Gesicht wurde heiß wie unter der Wüstensonne, und sein rechter Oberschenkel zuckte, bereit, ihn kurzerhand aufspringen zu lassen, wenn sie nicht bald aufhörten, ihn und seine Freunde zu verspotten.
»Bleib ruhig!«, raunte Baudouin ihm zu und legte unauffällig die Hand auf seinen Arm. »Du gewöhnst dich daran.«
Guillaume musste an seine Jugend in Tancarville denken. Es war genau das gleiche Gefühl
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