Der goldene Thron
Henry II. wedelte ihn fort, als wäre er ihm plötzlich lästig. »Ihr könnt gehen!«
Guillaume nahm die Hand von der Schulter des Jungen. »Komm, Jean!«, forderte er ihn auf, verneigte sich noch einmal vor dem König und verließ die Halle. Schweigend lief ihm der Junge nach, bis Guillaume plötzlich stehen blieb und ihm fest in die Augen sah. »Weißt du, was als Knappe von dir erwartet wird?«
Ein zaghaftes Kopfschütteln war die einzige Antwort des Jungen.
»Es heißt ›Nein, Sir‹ oder ›Nein, Mylord‹«, rügte Guillaume ihn mit gespielter Strenge. Jean d’Erlées Blick war so unverdorben wie der eines Kindes, obwohl er doch schon fast ein Mann war. Guillaume lächelte kurz, bevor er wieder eine ernste Miene aufsetzte. »Ich werde dir beibringen, wie man kämpft, damitdu dem König treu dienen kannst und trotzdem möglichst lange lebst. Du wirst hart arbeiten müssen. Manchmal wirst du mich verdammen und vor Erschöpfung weinen, doch das darf mich nicht rühren. Es wird nicht leicht werden, denn du bist schon ein wenig alt, um als Page anzufangen, und sollst mir schließlich als Knappe dienen.«
»Ich bin stolz, bei Euch zu sein, und werde mich bemühen, denn ich möchte einmal werden wie Ihr!«, platzte der Junge heraus und strahlte ihn an.
»Als Erstes wirst du lernen müssen zuzuhören, ohne etwas zu sagen, und nur zu sprechen, wenn du gefragt wirst«, tadelte ihn Guillaume. »Ich erwarte bedingungslose Treue von dir, Fleiß und Aufrichtigkeit, aber auch äußerste Verschwiegenheit. Du wirst mich, ohne zu murren, bedienen, wann immer ich es von dir fordere, bei Tag wie bei Nacht, ganz gleich, wie müde du bist. Du hast meine Worte niemals in Zweifel zu ziehen und mir zu berichten, wenn es ein anderer tut. Du wirst mir bei Tisch die besten Fleischstücke auflegen, dafür sorgen, dass ich Salz bekomme, wenn ich es wünsche, und dass mein Becher stets voller Wein ist. Du wirst alle Aufgaben eines Pagen erfüllen und gleichzeitig als Knappe meine Stiefel, meine Waffen und mein Kettenhemd putzen, mein Pferd versorgen, wenn wir unterwegs sind, und jede Aufgabe, die ich dir übertrage, mit Eifer und Hingabe erfüllen. Du wirst viele Fehler machen, und ich werde dich bestrafen. Aber ich werde gerecht sein, und ich werde dir verzeihen. Nur Untreue – hörst du? –, Untreue vergebe ich niemals!« Während seiner kurzen Ansprache musste Guillaume immer wieder an Tancarville denken. Wie sehr hatte er damals seinen Herrn verehrt, und wie bitter war er von ihm enttäuscht worden! Jean sollte das nicht widerfahren. »Ich bin dein Herr, also kommst du zu mir, wenn du in Schwierigkeiten bist. Ganz gleich, was es ist, du hast mein Ohr. Hast du das verstanden?« Er sah den Jungen eindringlich an.
Zuerst nickte Jean nur zaghaft, doch als Guillaume ihn streng musterte, sagte er laut und deutlich: »Ja, Mylord.«
21. Januar 1188
D ie Nachricht vom Fall Jerusalems im vergangenen Oktober und dem Tod des Papstes, der diese schreckliche Neuigkeit nicht überlebt hatte, war schneller als ein Lauffeuer durch die christlichen Länder gezogen und hatte überall große Bestürzung hervorgerufen. Salah ad-Din hatte die Heilige Stadt nach nur zweiwöchiger Belagerung erobert und Guy de Lusignan, den König von Jerusalem, davongejagt. Guillaume hatte dem verhassten Lusignan die Krone von Anfang an nicht gegönnt und sich darum, aller Betroffenheit zum Trotz, einer gewissen Genugtuung nicht erwehren können, als er die Nachricht von Guys Niederlage vernommen hatte.
»Henry von England und Philippe von Frankreich haben einen Waffenstillstand beschlossen, um das Kreuz zu nehmen! Jerusalem wird befreit werden!«, rief der Bischof von Tyrus mit sich überschlagender Stimme in die tosende Menge und stieß ein aus schwarzem Ebenholz gefertigtes Kreuz mit dem schwer geschundenen Leib Christi in die Luft.
Guillaumes Brust wurde eng, als ein wahrer Freudentaumel die Menge erfasste. Jubel, Pfiffe und Hochrufe erklangen. Henry II. hatte lange gezögert, bevor er sich zu diesem Schritt hatte durchringen können. Die ständigen Auseinandersetzungen mit dem französischen König hatten die Lage in seinem Reich zu schwierig gemacht, um leichtfertig zu handeln. Erst als auch Philippe sich zu dem Kreuzzug entschlossen hatte, war Henry bereit gewesen, seiner Pflicht als christlicher Heerführer Genüge zu leisten und seine Teilnahme zu verkünden.
»Zur Fastenzeit im kommenden Jahr werden die Heere beiderKönige gemeinsam ins Heilige Land
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