Der goldene Thron
standen an der Reling und beobachteten, wie die Häuser von Haverford zu schrumpfen schienen, je weiter sich das Schiff von der Küste entfernte. Die kalte Seeluft hinterließ einen salzigen Geschmack auf ihren Lippen und färbte ihnen die Wangen rot. Isabelle schwärmte vonIrland und malte ihnen das Leben dort in den buntesten Farben aus.
Knapp die Hälfte des Weges musste bereits hinter ihnen liegen, als plötzlich der Wind heftig auffrischte. Immer stärker blies er, brachte das Meer zum Schäumen und wurde in kürzester Zeit zu einem bedrohlichen Sturm. Immer höher peitschte er das Wasser auf. Riesige Wellen türmten sich vor dem Schiff auf und warfen es, einer Nussschale gleich, hin und her.
»Ich sterbe!«, wimmerte Isabelle, auf dem Schiffsboden kauernd, umklammerte den Holzeimer, der vor ihr stand, und übergab sich. Überall um sie herum stöhnten Männer und spien sich die Eingeweide leer. Isabelles Kleider waren bereits besudelt und stanken nach Erbrochenem, doch Guillaume wich nicht von ihrer Seite und streichelte ihr den Rücken. Plötzlich schlug eine mächtige Welle über ihnen zusammen, überschwemmte die Planken, durchtränkte sie alle bis auf die Knochen und drohte, das Schiff zum Kentern zu bringen. Zitternd vor Kälte und Angst, hockten nun alle auf dem Boden, klammerten sich fest und beteten um das schiere Überleben.
Wider Erwarten hielt sich Gildwin erstaunlich gut. Er spuckte nicht und fand genügend Kraft in seinem Glauben, um sogar anderen noch mit seinen Gebeten Trost zu spenden.
»Bitte, Herr, sei uns gnädig«, wimmerte Isabelle und suchte an Guillaumes Brust Schutz. Als das Schiff sich erneut bedrohlich zur Seite neigte, schlingerte und wie in ein Tal zu stoßen schien, hob sie den Kopf. »Ich will meine Kinder wiedersehen!«, schrie sie mit vor Angst weit aufgerissenen Augen. Das Tosen von Wind und Wellen zerhackte ihre Worte in einzelne Silben und ließ sie so noch eindringlicher klingen.
Guillaume fürchtete nicht um sein eigenes Leben, aber um das seiner geliebten Isabelle. Es durfte ihr nichts geschehen! Er presste sie an sich und begann, laut zu beten, obwohl er wenig Übung darin hatte.
»Ich schwöre, Herr, bei allen Heiligen, ich stifte eine Abtei zu deinen Ehren, wenn du uns aus diesem Sturm führst und sicheran Land bringst!«, versprach er inbrünstig, und nie war ihm ein Schwur heiliger gewesen.
Das Unwetter dauerte bis tief in die Nacht an. Dann wurde der Wind langsam schwächer. Das Schiff war ein wenig vom Kurs abgekommen, doch das Schlimmste lag hinter ihnen. Zum Glück war niemand über Bord gegangen. Blass und erschöpft, aber auch voller Dankbarkeit gelangten sie schließlich an die rettende Küste.
Neugierig auf das, was ihn hier erwartete, betrat Guillaume zum ersten Mal in seinem Leben irischen Boden.
* * *
Je näher sie der Burg von Kilkenny kamen, desto unruhiger wurde Isabelle. Erinnerungen aus ihrer Kindheit spülten eine Woge von Glück in ihr Innerstes. Dort oben auf dem Hügel hatte sie oft gestanden und auf den Nore hinabgesehen. Ihr wurde der Hals eng. Wie lange war das her! Sie runzelte die Stirn und rechnete.
Beinahe zwölf Jahre war sie schon mit Guillaume verheiratet. Glückliche Jahre waren es gewesen, obwohl sie den um so viel älteren Mann doch zunächst mit aller Leidenschaft abgelehnt hatte. Acht Kindern hatte sie in dieser Zeit das Leben geschenkt. Guillaume und Richard, die beiden Ältesten, wurden bereits zu Pagen ausgebildet. All die Träume und Hoffnungen, die sie einst mit Conall geteilt hatte, erschienen ihr mit einem Mal so greifbar nah. Sie musste sich bemühen, nicht laut aufzuschluchzen, und wischte sich gerührt über die Augen. Endlich wurde ihr innigster Wunsch erfüllt. Endlich kehrte sie heim!
Der Steward, der ihre Mutter heimlich und treu geliebt hatte, war inzwischen gestorben, und ein neuer Mann hatte die Verwaltung der Burg übernommen. Guillaume kannte ihn offenbar recht gut. Für Isabelle aber war er ein Fremder. Ein Unbekannter, der nun die Kammer bewohnte, die sie einst mit ihrer Mutter geteilt hatte. Immerhin bewies er Feingefühl und überließ das Gemach dem neuen Burgherrn und seiner Gemahlin, damit sie es während ihres Aufenthalts bequem hatten.
Als Isabelle den einstmals so vertrauten Raum betrat und ihr ein ungewohnter, muffiger Geruch entgegenschlug, schossen ihr Tränen in die Augen. In der Kemenate hatte es stets nach dem Rosenöl geduftet, das Aoife so gern verwendet hatte. Doch Kissen, Decken,
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