Der goldene Thron
einzelne Strähnen auf Isabelles Kopf abzuteilen, hielt inne, wenn die Haare gar zu sehr verknotet waren, und bat um Verzeihung, wenn es ziepte und zerrte.
»Schon gut, Dairenn!«, beruhigte Isabelle sie. »Gib einen kleinen Tropfen Rosenöl auf den Kamm, aber nur einen einzigen, hörst du! So gleitet er leichter hindurch, ohne dass die Haare ölig werden.«
Dairenn tat wie ihr geheißen, und als sie fertig war, begannen die ersten Strähnen bereits zu trocknen, so wohlig warm war es jetzt in der Kammer.
Es klopfte, und ein stämmiger Junge brachte Braten, würzigen Ziegenkäse, Brot und einen Becher roten Wein für Isabelle.
»Der Koch lässt Euch sagen, dass es zum Abend Haselnusskuchen mit Honig gibt. Er sagt, den esst Ihr besonders gern.« Der Junge grinste. Gewiss hoffte er auf Reste vom Tisch.
»Das weiß er noch?« Isabelle strahlte. »Sag ihm, ich danke ihm. So etwas Wunderbares wie diesen Kuchen hat mein Gatte noch nie probiert. Er wird begeistert sein. Wenn ich ihm etwas übrig lasse!«, lachte sie und entließ den Jungen mit einem Lächeln. Hungrig machte sie sich über den wunderbaren Ziegenkäse her. Mit geschlossenen Augen ließ sie ihn auf der Zunge zergehen. Der zarte, leicht säuerliche Geschmack entführte sie geradewegs in ihre Kindheit. Sie sah sich mit Conall im Stall sitzen und bei Brigid an der Feuerstelle stehen. Ja, sie war heimgekehrt, daran war kein Zweifel.
Isabelle wollte Dairenn eben nach Brigid fragen, als es an der Tür klopfte. »Geh und sieh nach, wer das ist«, befahl sie, flocht ihre feuchten Haare noch schneller als früher zu einem Zopf und wand ein mit Silberfäden durchwirktes Band um das Ende.
Dairenn öffnete die Tür einen Spaltbreit und drehte sich dann um. »Es ist der Stallmeister.« Sie flüsterte beinahe.
Isabelle strich sich über die Kleider und bedeckte ihren Kopf hastig mit einem Schleier. Dann nickte sie. »Er möge eintreten. Und du, geh hinaus und lass uns allein!«, sagte sie laut und vernehmlich.
Dairenn blickte sie einen Moment lang ungläubig an. Es schickte sich nicht für eine verheiratete Frau, mit einem anderen Mann als dem eigenen Gemahl allein zu sein.
»Nun geh schon!«, lachte Isabelle. »Sir Guillaume hat gewiss nichts dagegen!« Das ist ja der Ärger, dachte sie. Er ist nicht das winzigste bisschen eifersüchtig!
Dairenn ließ Conall ein, schlüpfte zur Tür hinaus und zog sie vorsichtig hinter sich zu. Gewiss hielt sie vor der Kammer Wache, damit sie Isabelle warnen konnte, falls ihr Gemahl kam. Ein Lächeln huschte über Isabelles Gesicht.
»Mylady!« Conall hatte seine Ledermütze abgenommen und verneigte sich.
»Sag Isabelle, Conall! Wir sind allein.« Sie strahlte ihn an. »Ich bin so froh, dich zu sehen!«
»Willkommen in Kilkenny«, antwortete Conall steif.
»Ist das alles?« Isabelle schluckte ihre Enttäuschung hinunter, sprang auf ihn zu und schlang die Arme um seinen Hals. »Wie geht es dir? Und Brigid? Und …«
»Mir geht es gut, danke«, unterbrach Conall sie hölzern. »Meine Mutter aber ist nicht mehr«, fügte er leise hinzu.
Isabelle sah ihn entsetzt an. »Was ist geschehen? Orin? Hat er ihr etwas angetan?«, brauste sie auf.
Conall schüttelte den Kopf. »Vor einigen Jahren hat es hier eine große Hungersnot gegeben.«
Isabelle nickte betroffen. Hunger war ein erbarmungsloser Sensenmann. Wie Brigid und jede andere liebende Mutter hatte auch sie während der letzten Hungerszeit ihren Kindern zu essen gegeben und an sich selbst stets zuletzt gedacht.
»Sie war geschwächt und eine leichte Beute für das Fieber, das kurz darauf in der Gegend gewütet hat.« Conall wischte sich mit dem Ärmel über die Nase. »Auch Orin ist tot. Im Suff einem Reiter unter die Hufe gekommen.«
»Und deine Brüder?«
»Brian lebt noch bei mir, die älteren kommen inzwischen alleine zurecht.«
»Du bist verheiratet, wie ich hörte. Hast du Kinder?«, erkundigte sich Isabelle mit dünner Stimme. Es schmerzte sie, dass Brigid nicht mehr lebte.
»Drei«, antwortete Conall knapp.
Leben und Sterben, das war der Lauf der Dinge. Damit hatte man zurechtzukommen, sonst ging man zugrunde.
»Ich habe acht!« Isabelle lachte zu schrill, weil ihr nach Heulen zumute war. Zu viele Gefühle stürmten auf sie ein: Enttäuschung, Wiedersehensfreude, Trauer und Angst. Plötzlich war da ein dicker Kloß in ihrem Hals. »Du darfst nicht glauben, dass mir Brigids Tod gleich ist«, flüsterte sie, und Tränen überschwemmten ihre Augen.
»Das tue ich
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