Der goldene Thron
Isabelle zeigte auf die Seife, die sie auf einem kleinen Schemel abgelegt hatte, und bedeutete Dairenn mit einer Geste, sie herüberzureichen.
»Ja. Und nein.« Dairenn sah irritiert nach der Seife und reichte sie ihr. »Ich habe geheiratet, kurz nachdem Ihr fortgebracht wurdet. Seit dem Sommer aber bin ich verwitwet.« Dairenn sah beschämt zu Boden. »Es ist nicht leicht, die Kinder allein durchzubringen«, murmelte sie. »Ich hab ihn nicht geliebt, doch er hat für uns gesorgt. Ich bin froh, wenn ich Arbeit habe, darum bin ich unendlich dankbar, dass ich Euch heute dienen darf.« Sie sah auf und lächelte ein wenig verzagt.
Gewiss wäre es der Ärmsten an Conalls Seite besser ergangen. Isabelle musste dennoch schmunzeln bei der Erinnerung, sie als aufdringlich empfunden zu haben, denn Dairenn war durchaus ansehnlich. Ob er das von seinem Eheweib auch behaupten konnte?
»Wer ist sie?«, wollte Isabelle wissen und begann, sich einzuschäumen. Die Seife hatte die stürmische Seereise nur überlebt, weil Isabelle sie, gut eingewickelt, in einer kleinen Holzkiste verwahrt hatte.
»Bitte?« Dairenn sah sie verwirrt an.
»Sein Weib, wer ist sie?«, wiederholte Isabelle und schäumte sich die Haare ein.
»Die älteste Tochter des alten Stallmeisters.« Dairenn zucktemit den Schultern. »Sie war einem anderen Burschen schon so gut wie versprochen, doch als Conall zurückkam, wollte ihr Vater unbedingt, dass er sie bekommt und nach ihm Stallmeister wird. Hat ziemlichen Ärger gegeben, aber er hat sich durchgesetzt.«
Isabelle nickte verstehend und tauchte noch einmal unter, um sich den Seifenschaum aus dem Haar zu spülen. »Und jetzt ist Conall Stallmeister«, stellte sie fest, nachdem sie wieder aufgetaucht war, und wrang das Wasser aus ihren Haaren.
»Hm«, bestätigte Dairenn nickend. »Sicher wartet er schon darauf, dass Ihr ihn rufen lasst oder zu ihm geht. Er liebt sie nicht, wisst Ihr.« Dairenn hatte den Blick einer Hündin, die Schläge gewohnt war. »Keine hat je eine Chance bei ihm gehabt, und ich war beileibe nicht die Einzige, die nach ihm geschaut hat. Er aber hatte immer nur Augen für Euch. Darum war es auch gleich, dass ich bereits verheiratet war, als er zurückkam. Er hätte mich ohnehin nicht gewollt. Oder er hätte mich spüren lassen, wie gleichgültig ich ihm bin, so wie er es sie fühlen lässt. Er liebt nur Euch. Das hat er immer getan und es nie verhohlen. Erst recht nicht, als er zurückkam. Er hat ständig nur von Euch gesprochen.«
Isabelles Magen zog sich zusammen. Sie hatte Conalls Liebe immer als selbstverständlich empfunden. Schließlich war er ihr Milchbruder und ihr bester Freund gewesen. Niemals hatte sie sich den Kopf darüber zerbrochen, was er anderen bedeutet haben mochte.
»Soll ich Euch etwas zu essen bringen lassen?«, fragte Dairenn hastig, als sie hörte, dass Isabelles Magen laut knurrte.
»Später. Hilf mir erst aus dem Wasser, mir ist kalt.« Eine Gänsehaut überzog Isabelles Körper von den Füßen bis zum Scheitel. Dankbar hüllte sie sich in das kratzige Leinentuch, das Dairenn ihr reichte, rubbelte ihre Haut damit trocken, bis sie rot war, und rückte dann näher an das Feuer, um sich den Körper mit Rosenöl einzureiben, so wie ihre Mutter es früher getan hatte. Isabelle schloss die Augen, als Dairenn ihr in die Kleider half,und atmete tief ein. Die Kammer duftete wieder wie früher, und die alte Vertrautheit war zurück. Endlich war sie angekommen!
»Ein Bad wirkt tatsächlich Wunder«, murmelte sie zufrieden. »Und macht hungrig wie ein Wolf!« Sie lächelte Dairenn an. »Solange ich hier bin, sollst du nur für mich da sein. Ich werde dich gut entlohnen, und für deine Kinder darfst du dir Essen aus der Burgküche mitnehmen.« Sie streichelte ihr verständnisvoll über die Wange. »Du wärst ihm sicher eine gute Frau gewesen«, sagte sie sanft. Dann ging sie zum Fenster und öffnete den Laden. »Geh und lass mir etwas zu essen bringen. Und dann richte Conall aus, er möge zu mir kommen.«
Isabelle suchte in der Truhe nach ihrem Kamm und begann, sich die Haare zu entwirren.
Es dauerte nicht lange, bis Dairenn zurück war.
»Ein Page wird Euer Essen gleich bringen, und auch dem Stallmeister richtete ich Euren Wunsch aus, ihn zu sehen«, erklärte sie eilfertig. »Soll ich?« Dairenn deutete auf den Kamm in Isabelles Hand.
»Ja, gern, ich liebe es, gekämmt zu werden.« Isabelle reichte ihn ihr mit einem dankbaren Lächeln.
Wortlos begann Dairenn,
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