Der Goldschatz der vom Himmel fiel
Nummernschild am Rumpf. Erstaunlicherweise sei es — berichtet
Colin — noch gut zu erkennen. Vermutlich hat man damals eine sehr wasserfeste
Farbe verwendet. Oder der Salzgehalt im Buchtwasser ist nicht so hoch wie in
den Nudelsuppen bei uns im Internat.“
„Stimmt!“, nickte Klößchen.
„Ich kriege dann immer einen so wahnsinnigen Durst, dass ich mir pfundweise
Schoko reinwerfen muss.“
„Erzähl von dem Wunder!“,
forderte Gaby.
Tim nickte. „Colin taucht. Ist
etwa 15 Meter tief. Plötzlich bemerkt er eine massige Flosse neben sich und
einen torpedoförmigen Körper. Ein Weißer Hai! Colin sieht das weit aufgerissene
Maul. Er würde reinpassen samt Scooter. Aus! Ende! Vorbei! Er weiß nicht, ob er
kämpfen oder beten soll. Kämpfen? Womit? Dann spürt er einen ungeheuren Druck
überall auf dem Körper. Der Hai hat ihn im Maul, schüttelt ihn aber nicht — wie
er es sonst macht, um seine Beute mit den Zahnreihen in Streifen zu schneiden —
, sondern hält ihn nur fest. Einen Moment später wird er ausgespuckt —
buchstäblich — samt seiner Druckluftflaschen auf dem Rücken und der
Tauchinstrumente vor dem Bauch. Der Hai hat Colin verschmäht. Denn der Hai mag
Seeelefanten, Seelöwen, Robben und Delphine. Mit einem Biss kann er die in zwei
Hälften zerlegen. Aber alles, was er nicht kennt, testet er erst über seine
Geschmacksknospen im Maul. Mancherlei würde ihm Verdauungsprobleme machen — zum
Beispiel ein großer Seevogel wie der Kormoran. Und auch der Mensch steht in der
Nahrungskette der Haie ganz am Ende. In den letzten hundert Jahren wurden
weltweit nur 200 Angriffe von Haien auf Menschen registriert. 50 davon endeten
tödlich. Infolge der Bisswunden, die beim Testen entstehen. Gefressen wurden
die menschlichen Opfer so gut wie nie. Insofern ist das Wunder der
Sunshine-Bucht für Biologen kein Wunder, eher hätte sie das Gegenteil — nämlich
Colins Verspeisung — gewundert.“
„Huch!“ Gaby schüttelte sich.
„In der Sunshine-Bucht bade ich trotzdem nicht.“
„Weil ich grundsätzlich um dich
besorgt bin“, meinte Tim, „unterstütze ich dich bei dieser Entscheidung.
Wissenschaftlich gesehen, ist sie allerdings unbegründet. Der Mensch steht
nicht beim Hai auf der Speisekarte. Der Mensch ist im Ozean ein Eindringling,
den sich der Hai neugierig ansieht, den er vielleicht testet wie Colin. Die
Wahrscheinlichkeit eines Angriffs ist äußerst gering. Etwa 40 Milliarden mal
pro Jahr müssen es sich die Weltmeere gefallen lassen, dass Menschen ins oder
aufs Wasser kommen — zum Schwimmen, zum Surfen, zum Schnorcheln. Da könnte der
Knorpelfisch öfter zubeißen als nur 200-mal.“
„Auch du, Häuptling“, Gabys
Augen blitzten ihn an, „gehst mir nicht in die Sunshine-Bucht. Klar?!“ Sie
lächelte zuckersüß. „Weil ich grundsätzlich besorgt um dich bin.“ Tim zögerte
eine Weile, grinste dann und erklärte etwas lahm: „Versprochen, Pfote!
Jedenfalls... äh... im Moment stehe ich dazu.“
Gaby wollte loslegen wegen Tims
schlitzohriger Einschränkung. Aber Karl kam dem zuvor.
„Können wir den Meeresräuber
mal für einen Moment vergessen, Freunde? Ich hätte nämlich auch eine Info. Die
betrifft einen menschlichen Hai: Slobodan Slibowitz, den Killer-Hai.“
Tim wusste sofort, wer gemeint
war — und auch was. Gaby und Klößchen blickten interessiert, bzw. verwirrt,
zeigten jedenfalls, dass ihnen die informative Speckreserve fehlte.
„Klingt balkanisch“, sagte
Klößchen.
„Trifft zu!“, nickte Karl.
„Slibowitz ist Serbe, stand bei der letzten Großmetzelei in vorderster Linie
und machte sich schuldig unsäglicher Verbrechen, alle unter dem schrecklichen
Sammelbegriff ethnischer (zu einer Volksgruppe gehörend) Säuberung. Der
Kerl ist ein Teufel und Mörder. Aus dem ehemaligen Jugoslawien hat er sich
abgesetzt. Wird aber gesucht per Haftbefehl. Damit man ihn aburteilen kann vor
dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, kurz Haager Tribunal genannt.
Dort geht’s um Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit.“
„Der Krieg als solcher ist ein
Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, sagte Gaby. „Oder kann man einen Krieg
auch menschlich führen — ohne Blut, Tod und Leid? Da geht’s doch wohl nur um
die Qualität der Gräuel und die Wahl der Waffen. Aber das wäre ein anderes
Thema. Worauf willst du hinaus, Karl?“
„Slibowitz versteckt sich in
Dschellala.“
Gaby stöhnte auf.
Klößchen sagte:
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