Der Goldvulkan
sich annehmen, daß der Winter wirklich zu Ende gehen und daß das Tauwetter die Oberfläche der Seen und Wasserläufe bald vom Eise befreien würde.
Schon war der Bennettsee von diesem nicht mehr im ganzen Umfange bedeckt. Zwischen den Icefields oder Eisfeldern hatten sich Spalten gebildet, die ein Boot, wenn es deren Windungen folgte, recht wohl passieren konnte.
Gegen Ende des Tages stieg die Temperatur noch weiter. Der Eisaufbruch nahm zu und schon fingen einzelne Schollen an, sich vom Ufer zu lösen und nach Norden abzuschwimmen. Trat nun in der nächsten Nacht kein sehr strenger Frost ein, so konnte man das nördliche Ende des Sees gewiß ohne größere Schwierigkeit erreichen.
Das Thermometer fiel in der Nacht nicht und mit Tagesanbruch am 2. Mai konnte Bill Stell erkennen, daß die Schiffahrt schon unter recht günstigen Verhältnissen erfolgen könne. Der von Süden herwehende Wind gestattete, wenn er anhielt, überdies die Benützung eines Segels.
Als der Scout mit dem Morgengrauen das Gepäck und die Nahrungsmittelvorräte einladen lassen wollte, bemerkte er mit Erstaunen, daß das bereits geschehen war. Jane und Edith hatten sich schon am Abend vorher dieser Arbeit unterzogen. Unter ihrer Leitung war alles in so zweckmäßiger Ordnung untergebracht, wie es der Scout selbst schwerlich erreicht hätte. Der kleinste Winkel war da ausgenützt und alle Kolli, die großen wie die kleinen, waren so überraschend gut verstaut, daß es ein Vergnügen war, es zu sehen, und eine Kleinigkeit, das eine oder das andre davon hervorzuholen.
Als die beiden Vettern dann bei ihrem Führer am Ufer standen, teilte er diesen mit, welches Erstaunen er eben empfunden habe.
»Ja ja, antwortete Ben Raddle, es sind außerordentliche Wesen… alle beide. Der Tätigkeitsdrang und die nie versiegende gute Laune der Miß Jane und die milde, doch unbesiegliche Festigkeit der Miß Edith haben entschieden etwas Überraschendes und ich fange an zu glauben, daß ich ein gutes Geschäft gemacht habe.
– Ein Geschäft?… Welches Geschäft? fragte der Scout verwundert.
– Das ist eine Sache, die Sie nicht ganz verstehen würden. Doch sagen Sie mir, Freund Stell, was halten Sie von der Witterung? Wird der Winter zu Ende sein?
– Darüber möchte ich mich nicht ohne Vorbehalt aussprechen. Es scheint ja so, daß die Seen und Flüsse bald eisfrei sein werden. Wenn wir übrigens den offnen Spalten folgen, selbst daraufhin, daß das den Weg natürlich verlängerte, würde unser Boot…
– Sein ihm zustehendes Element nicht zu verlassen brauchen, schloß Summy Skim den Satz. Das wäre ja das Beste für alle.
– Was denkt denn Neluto darüber? fragte Ben Raddle.
– Neluto, erklärte der Indianer pathetisch, denkt, man brauche keine Unterbrechung des Eisgangs zu befürchten, wenn das Thermometer nicht fällt.
– Vortrefflich! rief Ben Raddle lachend. Sie hüten sich ja weislich vor etwaiger Blamage, guter Freund. Können die hinuntertreibenden Eisschollen aber nicht auch gefährlich werden?
– O, das Boot ist fest und hält schon einen Anprall aus, versicherte Bill Stell. Das hat sich schon oft bewährt, wenn es mitten im Eisgange dahinglitt.«
Ben wandte sich wieder dem Indianer zu.
»Neluto, redete er ihn an, wollen Sie mir denn Ihre Ansicht nicht etwas bestimmter sagen?
– Nun, schon seit zwei Tagen hat sich das erste Eis in Bewegung gesetzt, das ist ein Beweis, daß der See draußen davon frei sein wird.
– Aha, sagte Ben mit Befriedigung, das ist doch endlich ein Wort, das sich hören läßt. Und was denken Sie über die Windverhältnisse, Lotse?
– Zwei Stunden vor Tage hat sich Wind erhoben, der uns günstig ist.
– Ja, das ist eine Tatsache; doch wird sich der Wind auch halten?«
Neluto drehte sich um und musterte den im Süden vom Bergstock des Chilkoot abgeschlossenen Horizont. An der Berglehne sanken nur leichte Dunstmassen herab. Da streckte der Lotse die Hand nach dieser Richtung aus und sagte:
»Ich glaube, die Brise wird bis zum Abend aushalten, Herr…
–
All right!
– Wenn sie bis dahin nicht umschlägt, setzte Neluto ganz ernsthaft hinzu.
– Ich danke euch, Lotse, erwiderte Ben etwas ärgerlich, nun weiß ich ja, woran ich bin.«
Das Boot des Scouts war eine Art Schaluppe oder richtiger eine fünfunddreißig Fuß lange Barke. Auf dem Hinterteil trug es eine Überdachung, worunter bei Tag und bei Nacht zwei bis drei Personen gegen Schneetreiben oder Regenschauer Schutz finden konnten. Das Boot
Weitere Kostenlose Bücher