Der Goldvulkan
Verbindungen« ins Treffen geführt hatte.
»Es ist ein Franzose, fast ein Landsmann, hatte er zu Jane Edgerton gesagt. Was Sie für meinen Ben getan haben, das bitte ich Sie auch für ihn zu tun; ich hoffe, Doktor Pilcox werde ihn ebenso wieder gesund machen, wie er meinen Vetter wiederhergestellt hat.«
Der Arzt zögerte nicht, sich zu dem neuen Insassen des Hauses zu begeben. Der Franzose hatte das Bewußtsein noch nicht wieder erlangt und seine Augen waren noch geschlossen. Der Doktor Pilcox konstatierte an ihm einen sehr schwachen Pulsschlag und eine kaum fühlbare Atembewegung. Eine Verletzung war an dem durch Entbehrung, Anstrengung und Elend stark abgemagerten Körper nicht nachzuweisen, kein Zweifel, daß der Arme vor Erschöpfung am Fuße des Baumes zusammengebrochen war, wo man ihn aufgefunden hatte, und sicherlich wäre er durch die Kälte umgekommen, wenn er die ganze Nacht ohne Hilfe und Unterkunft geblieben wäre.
»Der Mann ist wenigstens schon halb erfroren,« erklärte Doktor Pilcox.
Man umhüllte ihn mit Decken und legte Wärmflaschen neben ihn, gleichzeitig erhielt er warmes Getränk und wurde kräftig abgerieben, um den Blutumlauf zu fördern. Alles, was in solchen Fällen zu tun war, wurde unverzüglich getan, doch konnte ihn zunächst nichts aus seinem halbtoten Zustand aufrütteln.
Ob der anscheinend dem Tode verfallene Mann doch vielleicht noch zu neuem Leben erwachte?… Doktor Pilcox zauderte, sich darüber auszusprechen.
Nach der von seiner Mutter Hand herrührenden Adresse all der Briefe, die sich bei dem Verunglückten vorfanden, lautete sein Name, wie wir wissen, Jacques Ledun. Der letzte, dem Poststempel nach aus Nantes stammende Brief war schon fünf Monate alt. Die Mutter schrieb darin an ihren Sohn in Dawson City, Klondike. Sie bat zugleich um eine Antwort, die vielleicht noch nicht erfolgt war.
Ben und Summy lasen diese Briefe und gaben sie dann an Edith und Jane Edgerton weiter. Alle empfanden dabei eine tiefe Rührung. Die beiden Männer verbargen sie wohl unter einem krampfhaften Festhalten der Gesichtsmuskeln, die jungen Mädchen aber ließen in warmem Mitgefühl ihren Tränen freien Lauf. Jede Zeile verriet die innigste mütterliche Liebe, alle bildeten eine ununterbrochene Reihe von guten Ratschlägen, Liebkosungen und Warnungen. Jacques sollte sorgsam auf sich achten, vor allem aber bald zurückkehren und auf die abenteuerliche Jagd nach Schätzen dieser Welt verzichten. So flehte die weit entfernte Mutter den Sohn an, sie, die auch der Armut spottete, wenn diese nur von zweien getragen wurde.
Die Briefe lieferten jedenfalls zuverlässige Auskunft über die Absenderin, so daß man ihr, wenn der Empfänger stürbe, wenigstens Nachricht über das Unglück geben konnte, das sie betroffen hätte.
Aus den Briefen – es waren ihrer zehn – ging hervor, daß Jacques Ledun Europa vor zwei Jahren verlassen, sich aber nicht sofort nach Klondike begeben hatte, um hier das Gewerbe eines Prospektors zu betreiben. Der Inhalt einiger Briefe wies darauf hin, daß er sein Glück zuerst an den Goldlagerstätten Ontarios und Columbias gesucht hatte. Dann erst hatte er sich, durch die ans Wunderbare streifenden Mitteilungen der Zeitungen aus Dawson City angelockt, dem dahin eilenden Zuge der Goldgräber angeschlossen. Übrigens schien es nicht so, als ob er selbst Besitzer eines Claims gewesen wäre, denn seine Brieftasche enthielt kein Übertragungszertifikat und überhaupt keine amtliche Beurkundung, sondern nichts als die eben gelesenen Briefe.
Und doch war eine solche vorhanden, sie befand sich nur nicht in der Brieftasche, sondern im Besitze Jane Edgertons, die augenblicklich gar nicht daran dachte, ihrer Cousine und ihren Freunden davon Mitteilung zu machen. Erst spät am Abend, als sie sich niederlegen wollte, erinnerte sie sich der seltsamen Urkunde und nachdem sie sie unter dem Schein der Lampe ausgebreitet hatte, bemühte sie sich um deren Enträtselung, als ob es gegolten hätte, einen Rebus zu lösen.
Die Urkunde war eigentlich, wie sie vorausgesetzt hatte, nur eine Landkarte. Unregelmäßig verlaufende Bleistiftlinien bezeichneten offenbar eine Meeresküste, wo ein Strom mündete, der in der Nähe mehrere Nebenflüsse hatte. Nach der natürlichen Orientation der Karte zu urteilen, schien der Wasserlauf sich dem Nordwesten zuzuwenden. Wäre das etwa der Yukon oder sein Nebenarm, der Klondike? Nein, das erschien nicht annehmbar. Nach dem Charakter der Karte konnte es
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