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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Jutzi
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gehen. Er kann sich in einer anderen Gegend der Welt für Naturschutz engagieren. Aber die Ranger haben diese Wahl nicht. Sie leben und sterben im Kongo. Und deshalb gibt es auch für Robert keine Alternative zum Bleiben. Auch er hat wegen seines Naturells keine Wahl, sonst wäre er nicht der Mensch, der er nun einmal ist.
    Die Eroberung von Rumangabo ist ein großer Triumph für Nkunda, denn die Station liegt strategisch günstig oberhalb der Straße von Goma nach Rutshuru, den beiden wichtigsten Städten des Landstrichs. Von hier aus können seine Truppen leicht nach Süden und Norden vorrücken und die Armee vor sich hertreiben. An der Straße von Goma nach Rutshuru toben schwere Gefechte, doch die kongolesische Armee kann die CNDP-Kämpfer nicht aufhalten. Kibumba, ein Ort 35 Kilometer nordöstlich von Goma, fällt.
    Viele Zivilisten flüchten, und lange Menschenschlangen säumen die Straßen. Jeder trägt sein wichtigstes Hab und Gut bei sich, Matratzen, Geschirr, vielleicht ein Brot, Bohnen oder sogar etwas Geld. Außer dem Geschrei einiger Kinder und dem sporadischen Klappern eines Blechtopfes liegt eine gespenstische Stille über dem traurigen Zug. Die Angst hat die Kehlen der Menschen zugeschnürt. Not und Elend sprechen aus ihren Augen. Die Menschen fürchten die Kämpfe, deren Geschützdonner und Maschinengewehrsalven unheilvoll über das fruchtbare, leidgeplagte Land hallen. Und sie fürchten das Ende der Kämpfe, wenn die CNDP gesiegt hat und man nicht weiß, ob die neuen Herren sich noch willkürlicher aufführen werden als die alten. Jeder Streitmacht im Osten des Kongos eilt der Ruf grausamer Verbrechen voraus. Und zu oft müssen Zivilisten, deren Gemeinde von siegreichen Truppen eingenommen wurde, erfahren, dass die schrecklichen Geschichten, die man sich erzählt, nun zu ihrer eigenen unerbittlichen Wirklichkeit geworden sind.
    Der Fall von Kibumba verheißt Böses. Alle erzählen sich, Nkunda werde jetzt Goma angreifen. Das Flüchtlingslager bei Kibati leert sich, und die Menschenmassen strömen in die Provinzhauptstadt. Unter sie mischen sich Soldaten der kongolesischen Armee. Die Militärs plündern die Geschäfte, brechen in Häuser ein und fordern Geld, Wertsachen und Frauen. Auf der Straße, die zum Flughafen führt, stoppt ein Soldat einen Mopedfahrer. Er richtet seine Kalaschnikow auf den Zivilisten und drückt ab. Der Mann sackt in sich zusammen, sein Körper kippt mit dem Moped zur Seite und prallt auf den Asphalt. Eilig stürzt der Uniformierte herbei, schiebt den aus dem Brustkorb blutenden Körper beiseite und prescht mit seiner motorisierten Beute davon. Ob jemand Widerstand leistet oder nicht – wer stirbt, liegt alleine in der Hand derjenigen, die Waffen tragen. Mindestens zehn Menschen finden so den Tod. Im Krankenhaus von Goma melden sich 17 Frauen, die von Soldaten vergewaltigt worden sind. Kinder und Greise werden angeschossen.
    Die Kommandeure haben längst die Kontrolle verloren, und wie eine Druckwelle eilt der heranrückenden CNDP Chaos voraus. General Vainqueur Mayala, der Oberbefehlshaber in Goma, schickt Patrouillen aus. Plündernde Soldaten werden standrechtlich erschossen. Schließlich rücken auch die UN-Soldaten aus, die ebenfalls beschossen werden. Trotzdem schicken sie Kampfhubschrauber und Panzerwagen nach Norden und greifen Stellungen der Nkunda-Armee an. Um eine Massenpanik zu verhindern und weil er vor allem der Luftwaffe der Blauhelme nichts entgegenzusetzen hat, erteilt Nkunda seiner Armee den Befehl, anzuhalten. Da sind die Kämpfer gerade noch einmal zehn Kilometer von Goma entfernt. Auch im Norden flieht die kongolesische Armee. Soldaten reißen sich die Uniformen vom Leib, während sie an den zerfetzten Leibern ihrer Kameraden vorbeirennen. Wie Fahnen der Kapitulation flattern die tarnfarbenen Jacken und Hosen in den Hecken links und rechts der Wege.
    Nkundas nachrückende Männer erreichen den Ort Kiwanja, der beinahe nahtlos in die Stadt Rutshuru übergeht. In diesem Ballungsgebiet leben 70 000 Menschen in aus Lehmziegeln errichteten Hütten. Diese Behausungen schützt ein mit Blättern und Stroh gedeckter Dachstuhl vor Regen. Innen gibt es einen einzigen Raum, auf dessen glatt gestampften Boden ein Bett steht, vielleicht noch ein Stuhl und ein schäbiger Tisch. Über dem Bett hängt eventuell ein angegilbtes Moskitonetz, löchrig zwar, aber immerhin besser als nichts. An der Feuerstelle liegt ein verbeulter Topf, an der Wand darüber hängt eine Tasse.

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