Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
die Bevölkerung bringen, sondern auch tausendfache Vergewaltigungen. Erzwungener Sex wird im Kongo wie in der ganzen Welt als Waffe eingesetzt und dient der psychologischen Kriegsführung. Er ist das Fanal des absoluten Triumphes und sendet eine grausame Botschaft: Wir haben nicht nur gesiegt, wir vernichten den Feind nicht nur im Kampf, sondern wir bemächtigen uns all seiner Habe und des wertvollsten, das er besitzt. Unser Sieg ist so umfassend, dass wir uns sogar die Frauen des Feindes nehmen können, wann und wie es uns gefällt. In allen Kriegen der Menschheitsgeschichte hat es das gegeben, auf Befehl oder unter der Hand. Die Logik aus Sieg und Niederlage, die dem Krieg innewohnt, verschont niemanden, nicht die Täter, die Schuld auf sich laden, und nicht ihre Opfer. Im Krieg entkommt niemand der Grausamkeit – erst recht nicht im Kongo.
Die Kämpfe rücken bis an Goma heran. Maschinengewehre rattern, Granaten explodieren. Die Rebellen wollen zum Flughafen, denn haben sie diesen erst einmal in ihrer Gewalt, dann besitzen sie Goma. Und wer die Stadt besitzt, beherrscht die Region. Die kongolesische Armee befindet sich in Auflösung. Wer nicht kämpft, kümmert sich um seine eigenen Angelegenheiten, und das sind nicht selten Racheakte. Infolgedessen werden viele Menschen getötet. Soldaten fahren durch die Straßen. Entdecken sie dabei jemanden, mit dem sie noch eine offene Rechnung haben, greifen sie sich denjenigen. Also liegen viele Leichen in den Straßengräben. Noch bevor die Schlacht entschieden ist, müssen die Frauen Vergewaltigungen erdulden.
Robert zweifelt an seiner Aufgabe. Kann man unter diesen Umständen Naturschutz betreiben? War es richtig, die Ranger mit teurer Ausrüstung auszustatten? Haben sie nicht von Anfang an auf verlorenem Posten gestanden? Ist der Virunga-Nationalpark nicht ohnehin dem Untergang geweiht? Kann man in diesem Chaos die Berggorillas überhaupt retten? Und darf man bei all dem himmelschreienden menschlichen Leid überhaupt daran denken, Tieren das Überleben zu sichern? In dieser Zeit verliert sogar Robert seine übliche Ausstrahlung eines freundlichen Haudegens, an dessen Seite eigentlich nichts schief- und alles nur gut gehen kann. Selbst er kann seine düsteren Gedanken nicht mehr verbergen. Als Robert durch das provisorische Lager der Ranger geht und nach einer Antwort auf seine Fragen sucht, blickt er in die Gesichter der Wildhüter. Er sieht ihre mit Hausarbeit beschäftigten Frauen und ihre spielenden Kinder. Er hört ihre Fragen, wie es denn wohl im Gorillasektor aussehen mag. Wann werden sie zurück können, um ihrer Aufgabe nachzugehen? Werden die Rebellen die Affen respektieren oder werden sie die Berggorillas töten? Er sieht die Angst vor Nkundas Truppen in den Augen der Ranger und registriert ihre sorgenvollen Blicke auf ihre Frauen und Töchter, die sie vielleicht nicht vor einer Vergewaltigung schützen werden können. Die Fäuste der Männer klammern sich fest an ihre Kalaschnikows. Wenn es so weit ist und die Rebellen durch die Stadt ziehen, wird es ein Blutbad geben, denkt Robert. Er bemerkt aber auch die bangen Blicke der Männer in Richtung der Vulkanhänge und sieht die Sehnsucht der Ranger nach dem Wald und den täglichen Patrouillen auf der Jagd nach Köhlern und Wilderern. Er spürt viel intensiver als zuvor, dass die Wildhüter ihre Arbeit lieben, nicht zuletzt, weil sie eine enge Verbindung mit den Gorillas empfinden. Sie sorgen sich um die Menschenaffen fast wie um Familienmitglieder. Diese Sorge um die Tiere mag einerseits ein Ventil für die Angst vor der Bedrohung sein, die vor der Stadt auf sie lauert. Sicher ist sie aber auch ein Beleg für das evolutionäre Erbe des Homo sapiens , der – wenn er sich einmal auf eine Sache einlässt – beinahe zwangsläufig mitfühlend agiert.
Robert wird in diesen Tagen immer klarer, dass es nicht nur um die Gorillas geht, sondern vor allem um diese Menschen, die sich das Ziel gesetzt haben, einen einmaligen Naturschatz zu bewahren und damit eine wirtschaftliche Zukunft für sich und ihre Kinder zu schaffen. Vielleicht, wenn Frieden herrscht, werden Touristen kommen und Geld bezahlen, viel Geld, um Gorillas zu sehen. In Ruanda kostet eine Stunde bei den schwarzen Regenwaldkolossen 500 Dollar pro Besucher. Bei maximal acht Touristen pro Gruppe spielt jede Gorillasippe bis zu 4 000 Dollar pro Tag ein. Robert erkennt auch, dass er im Gegensatz zu den Rangern eine Wahl hat. Er kann sich entscheiden, zu
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