Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
Vom Netzwerk:
riß das Moos auf der der Wand zunächst befindlichen Seite fort und entfernte drei von den Brettern. Die ungleichen Enden wurden abgesägt und wieder so angebracht, daß die vorspringenden Reihen nicht unterbrochen wurden.
    Fortune holte aus der Vorratskammer einige Mehlsäcke und legte sie unter der Öffnung auf den Fußboden. Obendrauf legte Uri ein paar lange Seesäcke, und hierüber breitete er dann mehrere Lagen Moos und Decken. Und hier konnte Fortune liegen, während der Schlafsack über die ganze Bettstelle von einer Seite zur andern gebreitet wurde, so daß jeder, der sie sah, sie für leer halten mußte.
    In den folgenden Wochen erschienen mehrere Besucher in der Hütte. Keine Hütte und kein Zelt entging dieser Untersuchung. Aber Fortune lag ungestört in seinem engen Versteck, und im übrigen interessierte sich auch niemand besonders für Uri Brams Hütte, denn sie war wohl die letzte Stelle auf Erden, wo man erwarten konnte, John Randolphs Mörder zu finden. Abgesehen von diesen Unterbrechungen, faulenzte Fortune in der Hütte, legte eine Patience nach der andern und rauchte zahllose Zigaretten. Obwohl er bei seinem flüchtigen Naturell Heiterkeit, Scherz und Lachen liebte, gewöhnte er sich doch schnell an Uris Schweigsamkeit. Sie sprachen nie miteinander, außer, um darüber zu diskutieren, was seine Verfolger unternahmen oder vorhatten, wie die Wege waren und wie die Hunde im Preise standen, und das taten sie auch nur in langen Abständen und mit so wenig Worten wie möglich.
    Aber Fortune begann ein System auszuarbeiten und tat Stunde auf Stunde, Tag auf Tag nichts, als Karten zu mischen und zu geben, Karten zu mischen und zu geben, und er schrieb die Karten in langen Reihen auf und mischte und gab wieder. Schließlich aber begann selbst diese Beschäftigung ihr Interesse für ihn zu verlieren, und den Kopf über den Tisch gebeugt, saß er da und malte sich die lustigen Lokale aus, die die ganze Nacht geöffnet waren, wo Croupiers und Inspektoren scharenweise arbeiteten und wo das Klappern der Roulettekugel nie verstummte. In solchen Augenblicken fühlte er sich von seiner Einsamkeit und dem Gefühl, daß alles für ihn fehlgeschlagen war, gelähmt, und er konnte stundenlang in derselben Stellung dasitzen, ohne auch nur mit den Augen zu blinzeln oder sich zu regen. Dann wieder machte sich eine lang zurückgedämmte Bitterkeit in leidenschaftlichen Ausbrüchen Luft, denn er war alles eher als zufrieden mit seinem jetzigen Leben.
    »Das Leben ist ein dreckiges Spiel«, lautete seine beständige Klage, und dies Thema variierte er ins Unendliche.
    »Ich habe nie eine ehrliche Chance gehabt«, klagte er. »Von Geburt an bin ich genarrt worden, und selbst die Milch in der Brust meiner Mutter war verfälscht. Ihr hat man falsche Würfel gegeben, als sie mitspielen sollte, und meine Geburt war der Beweis dafür, daß sie verloren hatte.
    Aber das war noch kein Grund, daß sie mich hassen sollte, und doch tat sie es – ja, sie tat es! Warum gab sie mir keine Chance? Warum gab die Welt mir keine? Warum kam ich in Seattle auf den Hund? Warum reiste ich im Zwischendeck nach Nome und lebte wie ein Schwein? Warum ging ich ins Eldorado? Ich wollte zum Großen Peter und ging nur hinein, um mir ein Streichholz geben zu lassen. Warum hatte ich Lust zu rauchen? Da siehst du! Alles arbeitete zusammen und paßte zueinander – das kleinste bißchen. Ja, und schon ehe ich geboren wurde! Ich möchte alles Gold, auf das ich mir je Hoffnung gemacht habe, wetten, daß es schon so war, ehe ich geboren wurde. Woher kam es, daß John Randolph Streit mit mir anfangen und erdolcht werden mußte? Verdammt noch mal! Er hatte es verdient! Warum konnte er nicht sein Maul halten und mir eine Chance geben? Er wußte, daß ich beinahe fertig war. Warum hielt er nicht die Finger davon? Ja, warum? Warum? Warum?« Und Fortune la Pearle wälzte sich auf dem Fußboden, während er seine zwecklosen Fragen an die ganze Weltordnung stellte.
    Bei solchen Ausbrüchen sagte Uri nicht ein Wort und gab kein Lebenszeichen – es war nur, als ob seine grauen Augen, wie aus Mangel an Interesse, schlaff und trübe würden.
    Diese beiden Männer hatten nichts miteinander gemein; darüber war Fortune sich hinreichend klar, und er fragte sich öfters, warum Uri ihm eigentlich geholfen haben mochte.
    Aber schließlich war das Warten zu Ende. Selbst der Blutdurst einer ganzen Gesellschaft hält nicht ihrem Golddurst stand. Die Ermordung John Randolphs war

Weitere Kostenlose Bücher