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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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getroffen hatte – sonst hätte der Mann sich nicht gedreht.
    Als Uri die Herrschaft über seine Glieder wiedergewonnen hatte und mühselig auf die Füße kam, hätte Fortune am liebsten noch einmal geschossen. Aber er schob den Gedanken von sich. Das Glück war ihm schon günstig gewesen. Und betrog er jetzt, so würde er es bei einer andern Gelegenheit bezahlen müssen. Nein, ehrliches Spiel. Außerdem war Uri schwer verwundet und konnte unmöglich den schweren Revolver lange genug halten, um richtig zu zielen.
    »Und wo ist dein Gott jetzt?« spottete er, indem er dem Verwundeten den Revolver reichte.
    Und Uri antwortete: »Gott hat noch nicht gesprochen. Sei bereit, das Urteil zu hören.«
    Fortune wandte sich ihm halb zu, drehte aber die Brust seitwärts, um ein kleines Ziel zu bieten. Uri wankte wie ein Betrunkener, wartete aber auch eine kurze Pause zwischen den leichten Windstößen ab. Der Revolver war sehr schwer, und wie Fortune vermutet hatte, war er im Zweifel, ob er ihn halten könnte. Aber er hob ihn mit ausgestrecktem Arm über den Kopf und senkte ihn dann langsam. In dem Augenblick, als Fortunes linke Brust und das Zielkorn eine Linie mit seinem Auge bildeten, drückte er ab. Fortune drehte sich nicht, aber das heitere San Franzisko verwischte sich und verblaßte, und während der sonnige Schnee immer schwärzer wurde, hauchte er seinen letzten Fluch gegen das Dasein, das er nicht zu benutzen verstanden hatte.

Siwash

    »Wenn ich ein Mann wäre – «, sie beendete den Satz nicht, aber die verzehrende Verachtung, die in ihren schwarzen Augen leuchtete, traf die Männer im Zelt auch ohne Worte. Tommy, der englische Seemann, wand sich, aber der ritterliche alte Dick Humphries, Cornwall-Fischer und früherer amerikanischer Lachsgrossist, lächelte sie so wohlwollend an wie nur je. In seiner Ursprünglichkeit hatte sein Herz allzuviel Raum für Frauen, wenn sie einmal loslegten oder wenn ihre Engherzigkeit sie hinderte, eine Sache von allen Seiten zu betrachten. Daher sagten sie nichts, diese beiden Männer, die vor drei Tagen die halberfrorene Frau in ihrem Zelt aufgenommen, sie erwärmt, ihr zu essen gegeben und ihr Eigentum den indianischen Lastträgern entrissen hatten. Letzteres hatte zahlreiche Dollars verschlungen, gar nicht zu reden von einer größeren Kraftanstrengung – Dick Humphries hatte am Lauf seiner Winchesterbüchse entlang geschielt, während Tommy das Geld nach eigenem Gutdünken unter ihnen verteilte. An und für sich war es eine Kleinigkeit gewesen, aber für eine Frau, die allein einen verzweifelten Kampf in dem ebenso verzweifelten Zustrom nach Klondike kämpfte, bedeutete es viel. Die Männer waren von den Dingen in Anspruch genommen, die durchaus getan werden mußten, und es gefiel ihnen auch nicht, daß alleinstehende Frauen hier im arktischen Winter ihr Glück versuchten.
    »Wenn ich ein Mann wäre, wüßte ich schon, was ich täte!« wiederholte Molly, Molly mit den blitzenden Augen, und diese Worte waren ein Ausdruck für ihr Draufgängertum, das fünf in Amerika geborene Generationen in ihr aufgespeichert hatten.
    In der Stille, die jetzt folgte, schob Tommy eine Pfanne mit Brot in den Yukonofen und legte mehr Holz auf. Sein Blut pochte unter seiner sonnenverbrannten Haut und verlieh ihr einen stark rötlichen Schimmer, und als er sich vorbeugte, war die Haut an seinem Halse ganz rot. Dick stach eine dreikantige Segelmachernadel durch einige zerrissene Tragriemen, und seine Gutmütigkeit ließ sich nicht im geringsten durch das weibliche Unwetter stören, das in dem sturmgepeitschten Zelt loszubrechen drohte.
    »Und wenn Sie ein Mann wären?« fragte er, und seine Stimme bebte vor Wohlwollen. Die dreikantige Nadel saß in dem feuchten Leder fest, und einen Augenblick hielt er in seiner Arbeit inne.
    »Ich möchte, ich wäre ein Mann! Dann würde ich den Tragriemen auf den Rücken nehmen und fortwandern. Ich würde nicht hier im Lager liegen, wenn der Yukon täglich zufrieren könnte und ich noch nicht die Hälfte von der Ausrüstung über den Paß geschafft hätte. Und ihr – ihr seid Männer, und ihr laßt die Hände im Schoß ruhen und fürchtet euch vor ein bißchen Regen und Wind. Ich sage es euch gerade heraus: Yankees sind aus einem andern Stoff gemacht. Die würden nach Dawson ziehen, und wenn es durch Höllenflammen ginge. Aber ihr, ihr – ach, ich wünschte, ich wäre ein Mann.«
    »Dann freue ich mich nur, daß Sie es nicht sind, mein Kind!« Dick Humphries

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