Der Gottesschrein
Tristão mit seinem Schwert zugefügt hat.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht stoße ich ihn zurück.
»Nicht jetzt«, scheuche ich ihn weg. »Verschwinde!«
»Sofort!«
Irritiert über seinen scharfen Tonfall drehe ich mich zu ihm um. »Was ist denn?«
Benyamin nickt unmerklich in Richtung Uthman, der neben mir kauert und zu Tughans Mamelucken hinabblickt. Er bebt vor Zorn.
»Verstehe.« In geduckter Haltung folge ich Benyamin durch einen Hagel aus zerborstenen Steinquadern zur Treppe.
»Komm mit!« Benyamin winkt mich einige Stufen die Treppe hinunter.
»Was ist?«, frage ich, während ich ihm nach unten folge.
Was er mir zu sagen hat, erschreckt mich zu Tode.
Benyamin fängt mich auf, als ich, durch den Blutverlust geschwächt, gegen ihn taumele, und schließt mich fest in seine Arme.
· Alessandra ·
Kapitel 65
Im Kerker der Zitadelle
20. Dhu’l Hijja 848, 23. Nisan 5205
Osterdienstag, 30. März 1445
Eine halbe Stunde nach Mitternacht
Ein Rascheln neben mir im Stroh lässt mich aufschrecken. Elija hat sich auf meinem Schoß zusammengerollt und ist eingeschlummert.
Da ist wieder das leise Knistern!
Ich blinzele in den Lichtschein. Ein Ratte schnuppert an Elijas verbundener Hand. Sie hat das Blut gewittert.
Mit einer heftigen Handbewegung fege ich sie beiseite. Schrill fiepend flüchtet sie durch das Stroh.
Plötzlich rasselt ein Schlüssel im Schloss.
Ich spanne die Schultern an. Unterdessen wird die Tür so schwungvoll aufgerissen, dass sie mit Wucht gegen die Wand kracht.
Im Schein der Fackeln, die im Gang brennen, sehe ich die Silhouette eines Mannes, der die Kerkerzelle betritt. Er trägt die Rüstung eines Mamelucken. Sein Gesicht liegt im Schatten.
Zitternd presse ich mich gegen die Wand.
Es ist Yared! Er späht in die Zelle. »Alessandra?«
Vorsichtig schiebe ich Elija von meinem Schoß hinunter und lege ihn auf das Stroh. Dann rappele ich mich auf und taumele Yared entgegen. Er schließt mich in seine Arme und hält mich fest. »Bist du verletzt?«
Ich berichte ihm, was Uthman mir angetan hat.
»Blutest du?«, fragt er entsetzt.
»Nein«, beruhige ich ihn. »Ich habe nur Schmerzen.«
»Alessandra, ich hatte nie die Absicht, als Wesir nach Al-Kahira zurückzukehren. Ich liebe nur dich.«
Ich sehe ihm in die Augen. »Und Jadiya und das Kind?«
Traurig schüttelt er den Kopf.
»O Gott, Yared!«, flüstere ich bestürzt. »Das tut mir so leid!«
Benyamin stürmt in die Zelle. Er trägt die Rüstung eines Mamelucken und ein Schwert und hat sich ein aufgerolltes Seil über die Schulter geworfen. »Könntet ihr euer verliebtes Getuschel auf später verschieben? Wir sollten so schnell wie möglich verschwinden.« Er löscht den Kerzenstummel und gibt ihn mir. Dann nimmt er die Hand des Jungen, der uns mit glänzenden Augen anguckt. »Komm, Elija!«
Als wir die Treppe zum erleuchteten Innenhof der Zitadelle hinaufhasten, schlägt ein Feuerball keine fünf Ellen neben uns mit Donnergetöse ein. Funken stieben in alle Richtungen, als er weiterrollt und eine Spur aus loderndem Feuer hinter sich herzieht. Etliche Mamelucken ducken sich schreiend, dann versuchen sie, das Feuer zu löschen.
» ¡Por Dios! Ich dachte, die Mandjaniks brennen!«, ruft Benyamin und legt seinen Arm schützend um Elija. Der Junge starrt mit aufgerissenen Augen um sich.
Yared antwortet nicht. Er hält meine Hand und beobachtet den Innenhof, auf den ein Pfeilhagel niedergeht. Sein Blick huscht hinauf zur Wehrmauer oberhalb der erleuchteten Arkaden, dann zum Davidsturm direkt über uns. »Y’allah! Dort hinüber!« Zwischen den gebrüllten Befehlen, den Schmerzensschreien und dem Tosen des Feuers kann ich ihn kaum verstehen. Er deutet auf die gegenüberliegende Festungsmauer. Dann hastet er in geduckter Haltung los und zieht mich hinter sich her.
Benyamin folgt uns mit Elija an der Hand. Pfeile zischen durch die Luft und bleiben neben uns im Boden stecken.
Ein Mamelucke wird getroffen – ein Pfeil ragt aus seiner Schulter. Er hat Yared erkannt und hält ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. »W’Allah! Wesir, du solltest nicht …«
Yared bleibt stehen, will etwas sagen, doch Benyamin springt vor, packt ihn am Arm und brüllt: »Deckung!«
Ein neuer Feuerball donnert Funken sprühend in den Innenhof und zerbirst, als er aufprallt. Yared stößt mich zu Boden und wirft sich auf mich, um mich vor den hoch auflodernden Flammen zu schützen, die den Mamelucken, der keine zwei Schritte entfernt steht, in eine
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