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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Armbrust, legt an und schießt.
    Der Bolzen bleibt eine Handbreit neben Tughan im Gemäuer eines armenischen Hauses stecken. Die Wucht des Einschlags zertrümmert einen Steinquader, dessen Splitter Tughan am Arm verletzen. Er springt zurück, ruft einem seiner Offiziere einen Befehl zu und deutet zu uns herauf.
    Fluchend lädt Timur nach, kurbelt die Armbrust schussbereit, legt an und zielt erneut. Doch Tughan ist inzwischen in Deckung gegangen.
    Ich lege ihm die Hand auf die Schulter. »Weißt du, wo Uthman steckt?«
    »Ist er nicht in seinen Gemächern? Vorhin hat mich der Befehlshaber seiner Mamelucken auf der Treppe beinahe umgerannt.« Er deutet hinüber zu den Stufen, die zu den Gemächern hinabführen, die Uthman und ich bewohnen. »Ich dachte, er wollte zu Uthman.«
    »Lass ihn suchen. Er soll herkommen. Sofort.«
    »Wie du wünschst.«
    Während Timur einen Mamelucken heranwinkt und meinen Befehl weitergibt, stürmt Benyamin die Stufen herauf und kommt zu mir herüber.
    »Yared?«, keucht er ganz außer Atem.
    »Was ist?«
    »Ich kann den Jungen nirgendwo finden«, stößt er auf Kastilisch hervor. »Ich war sogar in den Pferdeställen. Er ist verschwunden.«
    »Verflucht!«
    Hat Elija meinen erbitterten Streit mit Uthman mitangehört? Ist er geflohen, weil er dachte …? Allmächtiger Gott!
    Ich atme tief durch. »Benyamin, hol mir Rüstung und Schwertgurt.«
    »Mach ich.«
    Er will sich schon abwenden, doch ich halte ihn zurück. »Warte! Solltest du Uthman sehen, dann richte ihm aus, dass er zu mir kommen soll. Und zwar auf der Stelle.«
    »Ich sag’s ihm.« Schon stürmt er zurück zur Treppe.
    Ein Schrei lässt mich erschrocken herumfahren.
    Als mich der Bolzen der Armbrust trifft, fühlt es sich an, als würde mir der Kopf abgerissen. Ich keuche vor Schmerz. Meine Hand zuckt zur Wunde. Meine Finger sind nass von meinem Blut.
    »O Gott!«, stöhnt Timur erschrocken auf, als ich gegen ihn taumele. Er fängt mich auf und lässt mich vorsichtig zu Boden gleiten. »Ein Hakim, sofort! Der Wesir ist schwer verwundet!«

· Alessandra ·
Kapitel 63
    Im Kerker der Zitadelle
    20. Dhu’l Hijja 848, 23. Nisan 5205
    Osterdienstag, 30. März 1445
    Kurz nach Mitternacht

    Leise raschelt es im Stroh, als sich Elija in der Finsternis Schutz suchend an mich kuschelt. Er lehnt sein Gesicht an meine Brust, seine Hände vergräbt er in den Falten meines Gewandes.
    Allmächtiger Gott, nicht für mich bitte ich, sondern für Elija, der durch meine Schuld in diese verzweifelte Lage geraten ist. Rette ihn! Er ist doch noch so klein …
    »Alessandra?« Elija schnieft und zieht die Nase hoch. »Tut es noch weh?«
    »Es geht schon.« Ich lege meinen Arm um seine bebenden Schultern. »Weine nicht, Mäuschen!«
    »Ich dachte, er schlägt dich tot«, schluchzt er.
    »Sei ganz ruhig.« Ich küsse sein lockiges Haar.
    »Es ist so finster. Ich hab Angst.«
    »Warte, ich mache Licht.« Mit zitternden Fingern krame ich mein Feuerzeug hervor. Mir ist sterbenselend. Ich fühle mich so schwach, dass ich den Feuerstein fallen lasse.
    Elija raschelt im Stroh herum. »Hab ihn.«
    »In der Zunderdose an meinem Gürtel ist eine Kerze. Kannst du mir den Zunder halten?«
    »Mach ich.« Er tastet nach meiner Hand.
    Ich schlage einen Funken in das Zündschwämmchen, das Elija in seinen gewölbten Händen hält, und entzünde die Kerze. Es wird hell in der Kerkerzelle.
    Elija atmet auf und blickt sich unruhig nach den Ratten um. »Wie lange müssen wir hierbleiben?«
    »Nicht sehr lange.« Ich bemühe mich um einen zuversichtlichen Tonfall, doch meine Stimme bebt vor Schmerz, Angst und Zorn.
    Gerade eben war Uthman in der Kerkerzelle. Er hat mir Jadiyas Brief gezeigt und gesagt, dass seine Schwester Yared im Sommer ein Kind schenken wird. Und dass Yared, der sich so sehr einen Erben wünscht, darüber vor Freude geweint hat. Er habe sich entschieden, nach dem Morgengebet mit Uthman nach Kairo zurückzukehren. Der Sultan habe ihn gestern zum Wesir ernannt.
    »Yared liebt dich nicht. Für ihn bist du nur eine seiner Gespielinnen. In einigen Wochen, wenn er mit leuchtenden Augen sein Kind im Arm hält und dem Sultan voller Stolz sein Enkelkind zeigt, hat er dich vergessen.«
    Wenn ich doch nur kurz mit Yared reden könnte, um ihm zu berichten, was ich im Tabot in der Grabeskirche entdeckt habe. Vielleicht würde er sich besinnen und nicht nach …
    »Alessandra?« Elija hat sich aufgerichtet.
    »Was ist, Mäuschen?«
    »Ich muss pinkeln.«
    »Such

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