Der Gottesschrein
herausgefunden habe. Und was sich in dem Tabot der Grabeskirche befindet. »Die Tafel in Solomons Schrein ist aus dunklem Holz.«
»Wie sieht sie aus?«, fragt Yared, während wir im Schutz der Dunkelheit an der Stadtmauer nach Norden hasten. »Wie die Gesetzestafeln des Moses?«
»Nein«, keuche ich außer Atem. Wir erreichen die Nordwestecke und biegen an Tankreds Turm nach Osten zum Damaskustor ab. Ein stechender Schmerz durchzuckt meinen Unterleib. Ich bleibe stehen und beuge mich vor. Yared stützt mich und sieht mich sorgenvoll an. »In der Mitte ist ein Kreuz eingraviert. Es steht auf einem Sockel, der wie eine Truhe aussieht. Die ist kunstvoll mit fünf Kreuzen verziert. Sie erinnern mich ein wenig an Templerkreuze.«
»So wie die Lade der Templer im Vatikan?«
»So ähnlich. Oberhalb des eingravierten Kreuzes steht eine Inschrift in Geez, die mir vage bekannt vorkam – vermutlich bezeichnet sie den Namen desjenigen, dem dieser Altarstein gewidmet ist, denn nichts anderes ist diese geschnitzte Tafel.«
»Ein Altarstein?«, fragt Yared verwirrt. Neben einem undurchdringlichen Gestrüpp aus Christdorn bleibt er stehen und hält mich am Arm fest. »Ich verstehe nicht …«
»Die Tafel ähnelt dem Maqta-Altarstein der Kopten«, erkläre ich und atme tief durch. »In den Kirchen von Ägypten wird auf dem Maqta, der auf dem Altar steht, die Eucharistie gefeiert. Das habe ich in Al-Iskanderiya gesehen, als Tayeb und ich vor sechs Jahren an Weihnachten dort waren. Auch die Syrer haben einen Altarstein, den sie Thabilitho nennen. Ich habe ihn in der Markuskirche gesehen, als Mar Philoxenos mir von dem Mord an Mar Abdul Masih berichtete. Das Thabilitho symbolisiert das Kreuz, an dem Christus starb.«
»Aber ich dachte …« Er verstummt.
»Ja, ich auch«, nicke ich. »Ich habe die Inschrift auf der Tafel mit der auf den Ikonen von Iyasus Christos verglichen. Es ist dieselbe.«
»Das Tabot ist Christus geweiht?«
»Die heilige Lade ist ein Symbol für sein Grab, seinen Tod und seine Auferstehung. Und für den neuen Bund, den er am Abend vor der Kreuzigung gestiftet hat. Der Schrein ist eine Nachbildung der Lade des Gottesbundes – jedoch nicht des alten Bundes, den Gott auf dem Berg Sinai mit den Juden schloss, sondern des neuen Bundes, den er auf dem Berg Zion mit den Christen schloss.«
Yared schweigt. In der Finsternis kann ich sein Gesicht nicht erkennen. »Und nun?«, fragt er schließlich.
»Ich will wissen, wohin die Schatzkarte der Templer führt.«
Benyamin, der mit Elija an der Hand neben uns stehen geblieben ist, stöhnt entsetzt auf. »Ich fasse es nicht! Du willst heute Nacht noch in den Tempelberg?«
Wenig später kämpfen wir uns durch das Dornengestrüpp am Damaskustor. Alles ist ruhig – nur der Lärm der Schlacht weht von der Zitadelle zu uns herüber. Wir durchqueren das Stadttor, das seit der Eroberung durch Sultan Salah ad-Din offen steht. Unsere Schritte hallen durch die stille Gasse, als wir durch die finsteren Gewölbe des Souk Khan ez-Zeit an den Läden aus der Kreuzfahrerzeit vorbei zur Via Dolorosa hasten. Die Straße führt nach rechts an der Mauer des äthiopischen Klosters entlang zum griechisch-orthodoxen Patriarchat.
Die Mauer ist zu hoch. Wir können sie nicht erklimmen.
»Was jetzt?«, keucht Benyamin außer Atem.
»Kommt mit!« Kurz entschlossen haste ich geradeaus weiter zu den Souks, die zur Davidstraße und zur Kettenstraße führen. Yared, Benyamin und Elija folgen mir.
Wie im Judenviertel haben die Häuser im Christenviertel nur zwei Stockwerke und flache Dächer, die durch Stiegen und Stege miteinander verbunden sind. Über eine steile Treppe steigen wir auf eine Dachterrasse, springen mit einem weiten Satz über eine schmale Gasse hinweg auf das nächste Dach und huschen nach Westen in Richtung der blau schimmernden Kuppel der Grabeskirche. Über die armenische und die koptische Kapelle an der Ostseite des Hofes erreichen wir schließlich das Dach der Golgatakapelle. Dann erklimmen wir eine schmale Holztreppe zur Kuppel des Katholikons, wo sich die Tür befindet, die ich Tristão vor eineinhalb Stunden vor der Nase zugeschlagen habe. Auf der anderen Seite huschen wir hinüber zum hölzernen Steg, der zur Dachterrasse des benachbarten Franziskanerklosters führt.
Der Schlüssel zur Treppe, die in die Basilika hinunterführt, ist verschwunden!
Hat Gebre Christos sein Handkreuz aus der Kapelle geholt?
Beunruhigt bleibe ich stehen und starre in die finsteren
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