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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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an.
    Uthman trat noch einmal zu, diesmal in meinen Unterleib. Keuchend rang ich nach Atem und wand mich vor Schmerz. Mir war sterbenselend, und ich fürchtete, ich hätte innere Verletzungen erlitten. Dann musste ich mich übergeben.
    Uthman bebte am ganzen Körper. Nur mühsam beherrschte er sich. Offenbar wollte er es nicht zu weit treiben, denn Yared sollte ja glauben, Tristão hätte einen Mordanschlag auf mich verübt. Dann tauchte einer seiner Mamelucken auf und rief ihn zum Wesir …
    »Alessandra?«, nuschelt Elija.
    »Ja, mein Mäuschen?«
    »Ich freue mich auf Rom.«
    »Ich auch.«
    Erschöpft schließe ich die Augen. Plötzlich dringt Lärm durch die dicken Mauern in den unterirdischen Kerker.
    Es klingt, als würde die Zitadelle gestürmt.

· Yared ·
Kapitel 64
    Auf dem Davidsturm der Zitadelle
    20. Dhu’l Hijja 848, 23. Nisan 5205
    Osterdienstag, 30. März 1445
    Eine Viertelstunde nach Mitternacht

    »Allah steh uns bei!«, murmelt Uthman. Das Geschrei Hunderter Mamelucken, die die Zitadelle stürmen, übertönt seine Worte.
    Uthman lehnt neben mir an der Brüstung und blickt hinunter zum Tor der Zitadelle. »Wenn es Tughan gelingt, das äußere Portal aufzubrechen und den Festungsgraben zu überwinden, gerät er zwischen den Toren in die Falle. Wir beschießen ihn mit Steinen und übergießen ihn mit siedendem Öl. Die Zitadelle von Al-Quds ist uneinnehmbar. Das sollte Tughan doch eigentlich wissen.«
    Er wendet sich mir zu.
    »Nach dem Attentat am Freitag hättest du ihn und seine Mamelucken hinrichten lassen sollen, Yared. So sind die Regeln der Macht. Töte, um zu überleben! Und verschone niemanden, der an dir Blutrache nehmen könnte! Was, glaubst du, würde Tughan mit dir tun, wenn du gefesselt vor ihm knietest? Dir vergeben? Dir das Leben schenken?« Uthman sieht mich besorgt an. »Yared? Du bist so blass! Alles in Ordnung?«
    Ich berühre den blutigen Verband unter dem Nackenschutz meines Helms. Der Bolzen aus einer Armbrust von Tughans Scharfschützen hat meine Halsschlagader nur knapp verfehlt. Zwei Fingerbreit höher, und ich wäre verblutet. »Es geht mir gut«, winke ich ab.
    Uthman legt mir den Arm um die Schultern. »Allah ist auf deiner Seite, Yared«, beschwört er mich. »Er hält schützend seine Hand über dich.«
    Ich antworte nicht. Was soll ich auch sagen? Wir würden doch wieder nur aneinandergeraten, wie vorhin, als zwischen uns die Funken flogen.
    Ich sehe hinüber zu meinen Mamelucken auf den Festungsmauern und Wehrtürmen. Sie feuern Brandpfeile auf die Mandjaniks.
    Timur flucht auf Tscherkessisch. »Vorsicht!«, brüllt er und duckt sich hinter die Brüstung.
    Wieder prasselt ein Pfeilhagel aus dem Sternenhimmel auf uns nieder. Während wir in Deckung gehen, löschen Tughans Mamelucken die brennenden Mandjaniks und laden die Steinschleudern nach. Die umliegenden Häuser des armenischen Viertels werden niedergerissen – bewaffnete Mamelucken zwingen die fassungslosen Bewohner, ihre eigenen Häuser zu zerstören. Mit den Steinquadern will Tughan eine Bresche in die Mauern schießen. Bald wird die nächste Salve mit voller Wucht gegen den Davidsturm krachen.
    Timur richtet sich auf und brüllt: »Feuer!«
    Von Neuem schießen meine Mamelucken die Mandjaniks in Brand. Dieses Mal mit ›Griechischem Feuer‹, einer Mischung aus Naphtha, gebranntem Kalk und Schwefelpulver aus dem Arsenal der Zitadelle. Das Feuer kann nicht mit Wasser gelöscht werden. Es vernichtet die Mandjaniks in einem flammenden Inferno und lässt nur verkohlte Holzbalken übrig. Tughans Mamelucken, die sich rund um die Steinschleudern drängen, verwandeln sich in menschliche Fackeln und stürzen schreiend zu Boden.
    Siegestrunkenes Gejohle von den Mauern der Zitadelle!
    »Feuer!«, brüllt Timur. »Aber schießt nicht aus Versehen das armenische Viertel in Brand! Sonst brennt ihr den Felsendom und die Al-Aqsa nieder! Der Wind steht ungünstig!«
    Wenig später ist der Weg zum Portal von Leichen und Steinquadern übersät. Geblendet von seinem lodernden Hass auf mich, gibt Tughan nicht auf. Er weiß ja nicht, dass er dem Wesir des Sultans den Krieg erklärt hat …
    Benyamin hastet zwischen den Myrtenbüschen hindurch und kauert sich neben mich. »Yared!«
    Zwischen den Zinnen hindurch spähe ich nach unten. »Mach, dass du wegkommst, Benyamin! Du trägst keine Rüstung!«
    »Ich muss mit dir reden«, flüstert er auf Kastilisch und packt mich am Arm. Aus Versehen berührt er dabei die Wunde, die mir

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