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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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dir eine Ecke. Ich werde mich umdrehen und nicht hinsehen.«
    »O nein, bitte. Ich ha-hab Angst vor den Ratten. Die sind irgendwo da drüben im Stroh. Ka-hannst du n-n-nicht mitkommen? Ich will n-n-nicht n-n-nochmal geb-b-bissen werden.«
    »Tut’s noch weh?«
    »Ja«, meint er kläglich, zieht eine Schnute und zeigt mir die Bisswunde an seinem Unterarm. Mit dem Saum meines Gewandes wischte ich das Blut ab. Als er vorhin neben mir im Stroh lag, um mich zu trösten, verbiss sich plötzlich eine Ratte in seinen Arm. Ich habe sie erschlagen und in eine Ecke geworfen. Trotz der brennenden Kerze ertönt von dort ein entnervendes Rascheln. Immer wieder muss ich an den zerfetzten Basilianermönch im Geheimgang denken …
    »Na komm, Mäuschen.« Mühsam rappele ich mich auf und schiebe ihn vor mir her auf die andere Seite der Kerkerzelle.
    Der Junge ist völlig verängstigt. Kein Wunder, so wie Uthman eben gewütet hat …
    Sobald er fertig ist, führe ich Elija zurück zu dem Haufen Stroh, auf dem wir gesessen haben. Mit dem Dolch stochere ich zwischen den Halmen herum, nicht dass sich dort eine Ratte versteckt hält. Ich setze mich und ziehe Elija trotz der reißenden Schmerzen in meinem Unterleib auf meinen Schoß. Er beginnt wieder zu schluchzen und bekommt vom verhaltenen Weinen einen heftigen Schluckauf, der seinen kleinen Körper erschüttert. Ich streiche ihm über das lockige Haar, wiege ihn sanft und küsse ihn auf die tränennasse Wange. »Sei ganz ruhig, Elija.«
    »Hiiii!«, zuckt er zusammen.
    »Mach die Augen zu.«
    »Hiiii!«
    »Sind sie zu?«
    »Mhm«, nickt er heftig. »Hiiii!«
    »Gut.« Um ihn abzulenken, erzähle ich ihm von Rom, wohin wir morgen früh aufbrechen wollen. »Der Papst hat einen Kater, weißt du. Der heißt Monsignor Fantìn.«
    »Hiii!« Der Name erheitert Elija. Er kichert leise. »Was ist ein Monsinjor?«
    »Ein hoher Würdenträger. Die Mönche, die dem Papst aufwarten, haben dem Kater diesen Namen gegeben, weil sein kupferrot getigertes Fell ein wenig an die Soutane eines Monsignore erinnert.«
    »Ist ja niedlich.« Elija schmiegt sich eng an mich. »Und wo schläft er?«
    »In einem Körbchen unter dem Schreibtisch des Papstes. Wenn es im Winter kalt ist, kriecht er manchmal unter den Mönchshabit, den der Papst trägt. Der ist aus Wolle und hält schön warm.«
    »Glaubst du, der Papst erlaubt mir, ihn zu streicheln?«
    »Warum nicht? Und wenn du Monsignor Fantìn ein Stück Marzipankonfekt gibst, spielt er mit dir. Er ist sehr verschmust, weißt du. Wenn er nicht gerade die Purpursoutane eines Kardinals zerfetzt.«
    Elija imitiert das erregte Fauchen einer Katze und schlägt seine Hände wie Krallen in mein Gewand.
    »Genau so!«
    »David hat heute Morgen eine von Yareds Djellabiyas zerrissen. Das blaue Staatsgewand mit der Silberstickerei.«
    »Der Wesir wird es verschmerzen. Der Sultan schenkt ihm gewiss ein neues.«
    »Können wir David mitnehmen?«
    »Nein, Elija, er gehört Yared.«
    Der Junge nickt traurig. Er hatte Yared in sein Herz geschlossen.
    Ich fasse es einfach nicht! Ich ringe mit den Tränen und bebe am ganzen Körper. Mit zitternden Fingern streiche ich über Elijas Haar und küsse ihn zärtlich. »Nun schlaf, Mäuschen. Es ist schon spät. Morgen früh brechen wir auf nach Rom.« Sanft drücke ich seinen Kopf gegen meine Schulter und halte ihm das Ohr zu, damit er das entnervende Rascheln der Ratten nicht hören kann, die sich trotz des Lichtscheins der Kerze immer näher an uns heranwagen. »Träum was Schönes!«
    Während sich Elija in meine Arme kuschelt, durchzuckt wieder ein reißender Schmerz meinen Unterleib. Ich knirsche mit den Zähnen und atme tief durch. Wie geschunden und elend ich mich fühle, wie erschöpft, wie schwach! Elija hat recht: Es hätte nicht viel gefehlt, und Uthman hätte mich mit seinen brutalen Tritten umgebracht.
    Bevor er die Kerkertür hinter sich zuschlug, hat Uthman mir in seinem Zorn ins Gesicht geschlagen. Mit voller Wucht schlug mein Kopf gegen die Kerkerwand. Und als ich zu Boden stürzte, trat er mich erbarmungslos. Er stieß mit seinem Stiefel gegen meine Rippen. Ich dachte schon, sie würden brechen. Wie gelähmt lag ich auf dem Boden und nahm benommen wahr, wie sich Elija mit einem Aufschrei auf ihn stürzte, um ihn von mir wegzuzerren. Doch Uthman stieß ihn weg, sodass er rückwärts ins Stroh taumelte.
    Sein verzweifeltes Schluchzen hatte mich wieder zur Besinnung gebracht. »Lass den Jungen in Ruhe!«, flehte ich ihn

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