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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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nach Atem und kämpfe gegen die Panik an, denn ich ahne, was Tristão vorhat. O Gott, nicht das!
    Er steckt seine Fackel in eine Wandhalterung neben dem Eingang. Dann kommt er bedrohlich näher. »Wo ist die Lade?«
    »Eher zerstöre ich sie, bevor ich sie dir überlasse!«
    Er schlägt mir so heftig ins Gesicht, dass ich rückwärts gegen die Wand taumele. Keuchend ringe ich nach Atem. Um ein Haar hätte er mir die Nase gebrochen. Blut rinnt mir über die Lippen. Mit dem Handrücken wische ich es fort und zucke zusammen, als ich aus Versehen die Nase berühre. Tristão steht Uthman an Gewalttätigkeit in nichts nach.
    »Wo ist sie?«, knirscht er wutentbrannt und hebt erneut die Fäuste.
    Ich muss Zeit gewinnen, damit Yared mich finden kann! Aber sucht er mich denn überhaupt? Wieso, um Gottes willen, ist er nicht rechtzeitig zurückgekehrt?
    »Va all’inferno!«
    Mein Trotz erzürnt Tristão so sehr, dass er am ganzen Körper bebt. Sein Fausthieb trifft mich in den Unterleib. Ich keuche vor Schmerz und sinke auf die Knie.
    »Ich weiß nicht, wo sie ist, du verfluchter Bastard des Satans!«, schreie ich ihn an. Meine Stimme überschlägt sich. »Lass mich … in Ruhe! Ich kann es dir nicht sagen!«
    Mit aller Kraft tritt er mir ins Gesicht. Der Absatz seines Stiefels trifft mich an Stirn und Schläfe. Ich taumele hintenüber, schlage mit dem Kopf gegen die Wand und rutsche an den Steinquadern nach unten, bis ich auf dem Boden liegen bleibe.
    »Du Judenhure!«, flucht Tristão und starrt auf mich herab.
    Ich versuche, mich aufzurichten, schaffe es mit den gefesselten Händen jedoch nicht. Funken sprühen vor meinen Augen. Blut rinnt aus meiner Nase und tropft mir über die Lippen. Mir ist so sterbenselend, dass ich gegen das Würgen in meiner Kehle ankämpfen muss.
    Für einen Moment schließe ich die Lider, um mich zu beruhigen. Und um den Schmerz niederzuringen. Und den Zorn und den Hass.
    Dann wird es finster in mir.

    Als ich aus meiner Ohnmacht erwache und die Augen öffne, ist Tristão verschwunden.
    Wie lange war ich bewusstlos?
    Die Fackel steckt noch in der Wandhalterung und erleuchtet den kleinen Raum.
    Meine Grabkammer.
    Ich will mich aufrichten, doch der pochende Schmerz in meinem Kopf ist so stark, dass ich zurücksinke. Ich bin an Armen und Beinen mit einem Hanfstrick gefesselt, der zerfasert aussieht und vermodert riecht, jedoch noch immer seinen Zweck erfüllt. Ich kann mich nicht bewegen.
    Mit angehaltenem Atem lausche ich auf die Geräusche, die aus dem Gewölbe zu mir dringen. Ein Kratzen. Als würde nasser Sand in einem hölzernen Eimer umgerührt. Jetzt ist es still. Dann ein Rascheln, wie von einem Sack. Ein feines Rieseln, als ob feiner Staub …
    Ich keuche vor Schreck.
    Es ist gebrannter Kalk.
    Tristão mischt Mauermörtel!
    Das Schaben im Eimer verstummt. Tristão hat mich gehört. Er taucht im Eingang der Kammer auf, um nach mir zu sehen. »Sieh an, ein Lebenszeichen! Wie schön! Wer hat schon die Gelegenheit, sein eigenes Begräbnis mitzuerleben!«
    Ich antworte nicht. Behutsam bewege ich mich hin und her und versuche, meine Hände aus den Fesseln zu winden. Vergebens.
    Er verschwindet aus meinem Blickfeld und kehrt mit einem Eimer zurück. Im Eingang kniet er nieder und verteilt mit bloßen Händen einen Streifen feuchten Mörtel quer über den Gang auf dem Boden. Entsetzt beobachte ich, wie er wieder verschwindet und wenig später mit einem Steinquader auftaucht. Ächzend setzt er ihn auf den feuchten Mörtel und holt den nächsten.
    Er will mich lebendig einmauern!
    Damit ich nicht entkommen kann, während er Yared tötet und die Bundeslade sucht!
    Als er den dritten Stein setzt, sieht er zu mir herüber. Ich wende den Blick ab.
    »Schau es dir an. Das ist das Letzte, was du zu sehen bekommst.«
    Ich achte nicht auf ihn. Meine Ohnmacht lässt mich vor Zorn beben.
    »Ich habe gesagt, du sollst es dir ansehen!«, brüllt er mich an.
    »Nein.« Trotzig starre ich die Wand an.
    »Sieh her!«
    Ich rühre mich nicht.
    Zornig steigt er über die ersten gemauerten Steine hinweg, beugt sich über mich, vergewissert sich, dass die Fesseln sich nicht gelöst haben. Dann packt er meinen Kopf, schlägt ihn gegen die Wand und dreht ihn so, dass ich den Eingang beobachten muss. Heiße Tränen des Schmerzes und der Verzweiflung rinnen mir über die Wangen. Ich blinzele sie fort.
    »Ein unvergesslicher Anblick, nicht wahr?« Er deutet auf die Quadersteine. »In meiner Kerkerzelle in Fes haben mich die

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