Der Gotteswahn
Religionsfreiheit«, dann hat man Erfolg. Worin eigentlich besteht bei genauerem Nachdenken der Unterschied? Wieder einmal ist Religion der Trumpf, der sticht.
An das Ende dieses Kapitels möchte ich eine Einzelfallstudie stellen, die besonders gut beleuchtet, welch übertriebenen Respekt die Gesellschaft vor der Religion hat und wie dieser über den ganz normalen zwischenmenschlichen Respekt hinausgeht. Der Fall – eine lächerliche Episode, die zwischen den Extremen von Komödie und Tragödie hin und her wechselte – wurde im Februar 2006 bekannt. Im vorausgegangenen September waren in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten zwölf Karikaturen erschienen, die den Propheten Mohammed darstellten. Im Laufe der folgenden drei Monate wurde die Empörung in der islamischen Welt sorgfältig und systematisch aufgebaut, und zwar von einer kleinen Gruppe in Dänemark lebender Muslime unter Führung von zwei Imamen, die dort politisches Asyl genossen. 14 Ende 2005 reisten diese boshaften Exilmuslime von Dänemark nach Ägypten; im Gepäck hatten sie ein Dossier, das kopiert und in der gesamten islamischen Welt verbreitet wurde, auch – und das ist besonders wichtig – in Indonesien. Das Papier enthielt einerseits falsche Aussagen über die angebliche Misshandlung von Muslimen in Dänemark, andererseits aber auch die absichtsvolle Lüge, die Zeitung Jyllands-Posten sei ein Regierungsorgan. Außerdem enthielt es die zwölf Karikaturen, denen die Imame jedoch – auch das entscheidend – drei weitere Zeichnungen rätselhafter Herkunft hinzugefügt hatten, die mit Sicherheit in keinerlei Verbindung zu Dänemark standen. Im Gegensatz zu den ersten zwölf waren diese drei richtig beleidigend – oder sie wären es gewesen, wenn sie tatsächlich Mohammed dargestellt hätten, wie die eifrigen Propagandisten behaupteten. Eines der drei Bilder, das besonders viel Schaden anrichtete, war überhaupt keine Karikatur, sondern das gefaxte Foto eines bärtigen Mannes, der sich mit Gummibändern eine Schweinemaske umgebunden hatte. Wie sich später herausstellte, handelte es sich dabei um eine Aufnahme der Nachrichtenagentur Associated Press, die einen Franzosen zeigte, der in seiner Heimat bei einem ländlichen Jahrmarkt an einem Schweine-Quiek-Wettbewerb teilgenommen hatte. 15 Die Aufnahme hatte nichts, aber auch gar nichts mit dem Propheten Mohammed, dem Islam oder Dänemark zu tun. Die muslimischen Aktivisten jedoch stellten auf ihrer Unheil stiftenden Reise nach Kairo alle drei Verbindungen her – mit vorhersehbaren Folgen.
Fünf Monate nachdem die Karikaturen zum ersten Mal erschienen waren, brach sich die sorgfältig kultivierte »Verletzung« und »Beleidigung« auf explosive Weise Bahn. In Pakistan und Indonesien verbrannten Demonstranten dänische Fahnen (woher hatten sie die?), und an die dänische Regierung wurden hysterische Forderungen nach einer Entschuldigung gerichtet. (Entschuldigung wofür? Die Regierung hatte die Karikaturen weder gezeichnet noch veröffentlicht. In Dänemark herrscht Pressefreiheit, ein Prinzip, das für die Menschen in vielen islamischen Ländern möglicherweise nur schwer verständlich ist.) Zeitungen in Norwegen, Deutschland, Frankreich und sogar den Vereinigten Staaten (aber auffälligerweise nicht in Großbritannien) druckten die Karikaturen aus Solidarität mit Jyllands-Posten nach und gossen damit weiteres Öl ins Feuer. Botschaften und Konsulate wurden angegriffen, dänische Waren boykottiert, dänische Bürger und sogar Menschen aus westlichen Ländern ganz allgemein körperlich bedroht. In Pakistan brannten christliche Kirchen, die keinerlei Beziehung zu Dänemark oder Europa hatten. Neun Menschen kamen ums Leben, als Aufständische in der libyschen Hafenstadt Bengasi das italienische Konsulat angriffen und in Brand steckten. Germaine Geer schrieb: »Was diese Leute am liebsten mögen und am besten können, ist das Inferno.« 16
Ein pakistanischer Imam setzte auf den Kopf des »dänischen Karikaturisten« eine Belohnung von einer Million Dollar aus. Er wusste offenbar nicht, dass es insgesamt zwölf dänische Karikaturisten gab, und mit ziemlicher Sicherheit war ihm auch nicht klar, dass die drei beleidigendsten Bilder in Dänemark überhaupt nicht erschienen waren. (Und nebenbei gefragt: Woher sollte die Million eigentlich kommen?) In Nigeria zündeten Muslime aus Protest gegen die dänischen Karikaturen mehrere christliche Kirchen an, und Christen (schwarze Nigerianer) wurden auf der
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