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Der Graben: Thriller (German Edition)

Der Graben: Thriller (German Edition)

Titel: Der Graben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kôji Suzuki
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bereit zu fliehen. Es gab zwei Möglichkeiten: bergauf oder bergab.
    In diesem Moment hörte er Stimmen von oben. Es war das Filmteam, das irgendetwas rief. Sodeyama hielt es nicht mehr aus, allein zu sein; er wollte Menschen um sich haben und deren Wärme spüren. Er verließ sich auf die Stimmen und rannte bergauf, immer bergauf auf dem Weg, doch es war wie in einem Traum, in dem man versucht, etwas zu erreichen, und es nicht schafft: Seine Beine brachten ihn einfach nicht voran. Er hatte das Gefühl, die Ameisen würden jeden Moment an seinen Knöcheln ankommen, seine Achillesfersen hochkrabbeln und über seine Kniekehlen huschen, hinauf zu seinem Gesäß, und er spürte ein Kribbeln entlang der Wirbelsäule – oder kam das etwa von unzähligen Ameisenbeinen auf seinem Rücken?
    Sodeyama wäre beinahe gestolpert, so sehr verdrehte er sich, und er sah, was hinter ihm war: ein schwarzer, über einen halben Meter breiter Streifen, der diagonal über den weiß gepflasterten Weg verlief. Der Schwarm war beinahe geometrisch; die wimmelnde Masse bildete ein langes, schmales Parallelogramm.
    Durch erstaunliche Teamarbeit veränderte sich dann die Form. Die Ränder wurden unscharf und bewegten sich zur Mitte. Im Handumdrehen verwandelte sich das Parallelogramm in einen Kreis. Das Ganze erinnerte an eine Massenchoreografie, und Sodeyama stand mit immer noch unnatürlich verrenktem Oberkörper da und starrte fasziniert auf die Veränderung der Formation.
    Nachdem sie auf dem weißen Pflaster einen perfekten schwarzen Kreis gebildet hatten, bewegten sich die Ameisen, ohne diese Form zu verlieren, langsam wieder auf ihn zu. Ein von Dunkelheit erfüllter Ring, eine sich bewegende Fallgrube, in die Erde gegraben um Beute zu fangen. Sodeyama stellte sich innere Organe vor, kleine und große Eingeweide, und verspürte plötzlich den heftigen Drang, Wasser zu lassen.
    In diesem Moment hörte er das Rascheln von Blättern und das Flattern unzähliger Vögel, und darüber ertönte der Schrei einer Frau. Sodeyama wurde aus seinem paralyse-artigen Zustand gerissen und stürmte den Hang hinauf.
    32
    Nachdem sie oberhalb der Gärten aus dem Bus gestiegen waren, hatten Hashiba und die anderen sich zu den Steinstufen über dem Parkplatz begeben. Ein Schild am Fuß der Treppe zeigte den Weg zum Soga-Schrein an. Die Polizei schien derzeit die Theorie zu verfolgen, dass die Touristen und Angestellten gezwungen worden waren, auf den Wegen zurück bergauf zu gehen, am Schrein vorbei auf einen der Gebirgspfade weiter oben. Ob die Vermutung zutraf oder nicht, dieses Revier sollten sie mit dem Filmteam abstecken. Am Himmel war ein Hubschrauber zu hören, der in Richtung Amati flog. Es war ihnen zu Ohren gekommen, dass die Suchtrupps bereits bis dicht an die Izu Skyline Road, die Kammstraße in den Bergen, vorgedrungen waren. Da es jetzt dunkel wurde, würden sie vermutlich für heute Feierabend machen. Nakamura hatte versprochen, Hashiba anzurufen, wenn es etwas Neues gab. Dass er dies nicht getan hatte, bedeutete, dass die Polizei noch nichts gefunden hatte.
    Shigeko Torii ging ein paar Schritte hinter Hosokawa und Kato, die ihre schwere Kameraausrüstung schleppten. Alle paar Schritte blieb sie stehen und holte tief Luft, atmete schwer wieder aus und streckte ihren Rücken. Hashiba hielt sich neben ihr und stützte sie, indem er ihr den Arm um die Schultern legte. Er hatte ein fürchterlich schlechtes Gewissen, weil er einem alten Menschen solche Strapazen zumutete.
    »Geht es?«, fragte er besorgt.
    Ein kleiner steinerner Schrein stand oben an den Stufen. Als sie dort ankamen, hatte Hashiba schon die Vermutung, dass Shigekos Schwäche eher die körperliche Folge ihrer geistigen Erschöpfung war als einfache Müdigkeit. Shigeko stand neben dem kleinen Schrein, richtete sich auf und schaute demonstrativ um sich, als ob sie wahrzunehmen versuchte, was möglicherweise geschehen war. Ab und an bebten ihre Schultern in Reaktion auf irgendetwas, während sie sich umsah; ihre Blicke durchdrangen die Luft rings um den Schrein – auf Hashiba wirkte es, als ob sie mit ihrem ganzen Wesen auf irgendetwas lauschte, das ein normaler Mensch nicht wahrnehmen konnte. Sie trug einen langen Kaschmirmantel, der sie vollkommen einhüllte und nur eine kleine Partie ihres Halses den Elementen aussetzte. Das frei liegende Stückchen war von Gänsehaut überzogen, und Hashiba fragte sich unwillkürlich, ob dies von der Kälte kam o der von etwas, das Shigeko in der

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