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Der Graben: Thriller (German Edition)

Der Graben: Thriller (German Edition)

Titel: Der Graben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kôji Suzuki
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Atmosphäre rings um den Schrein erspürte. Die alte Frau hatte immer gesagt, dass sie bestimmte Dinge zuerst mit dem Körper erspürte, als wäre ihr ganzes Wesen ein empfindliches Trommelfell, das auf feinste ungewöhnliche Schwingungen in der Luft reagierte.
    Auf Zehenspitzen entfernte sich Hashiba und gab den Kameraleuten ein Zeichen, dass sie zu filmen anfangen und Shigeko dabei nicht im Weg stehen sollten. Das niedrige, struppige Unterholz zwischen den Baumwurzeln rings um den Schrein bewegte sich noch von einem Wind, der sich schon wieder gelegt hatte. Zur Rechten konnte Hashiba den Beginn eines Fußweges erkennen, der vom Schrein wegführte. Konnten dort unten so viele Leute verschwunden sein?
    Shigeko war an den Beginn des Fußwegs getreten, beugte sich nun mit rundem Rücken vor und schnupperte, als könnte sie so eine Spur oder eine Anmutung der Vermissten wahrnehmen. Selbst Hashiba war klar, dass im Unterholz keine Spuren zu erkennen waren, keine abgebrochenen Zweige, die darauf hindeuteten, dass jemand den schmalen Bergpfad hinuntergezwungen worden war. Die Bambusblätter standen aufrecht, und der Boden war mit weichem, vermoderndem Laub bedeckt – wenn hier Leute entlanggegangen wären, hätten sie sicherlich deutliche Fußabdrücke hinterlassen. Waren die Suchtrupps von einem anderen Punkt aus gestartet?
    Der Schrein lag unnahbar und still da, als wäre nichts geschehen. Plötzlich unterbrach ein hohles, hölzernes Klappern die Stille. Es kam von hölzernen Wunschbrettern, den Ema des Schreins, die zu dessen beiden Seiten an je zwei provisorischen Torii -Toren hingen. Ein paar Dutzend Ema baumelten von den Holzstangen jedes dieser Gestelle, hinter einer Bank und einem hölzernen Spendenkasten für den Schrein. Daneben stand ein Korb mit leeren Ema , auf die Wünsche geschrieben werden konnten. Die Leute warfen dreihundert Yen in den Spendenkasten, schrieben ihre Bitten oder Dankesworte mit Filzstift auf eines der Holzbrettchen und hängten es dann mit einem roten Band an die Stangen entlang der Torii .
    Als würden sie von hinten angestoßen, wackelten einige der Brettchen und verursachten so das klappernde Geräusch. Jedes Mal, wenn sie sich bewegten, drehten sich ein paar von ihnen um. Neben einfachen Bitten um Schutz für die Familie und Hoffnungen, Examen zu bestehen, stand auf einem der Brettchen mit dickem rotem Filzstift geschrieben nur das Zeichen für Glück. Die Schrift war fett, und die Farbe war am Rand etwas ins Holz verlaufen. Wie gewöhnlich standen auf der Rückseite Name und Adresse der Person, die das Ema gekauft hatte – Yoko Niimura aus Gamagori in der Präfektur Aichi. Name und Anschrift waren mit demselben Stift geschrieben, aber dezenter und akkurater. Als das Ema plötzlich zur Seite ruckte, sah man etwas Weißes, weich Aussehendes, das sich dahinter bewegte. Die Ema klapperten trotz der Windstille, weil etwas von hinten über sie strich.
    Gerade als Hosokawa die Kamera über Shigekos Kopf scharf stellte, sahen sie alle sechs, dass das weiße Ding ein Flügel sein konnte. Plötzlich tauchte etwas zwischen den Brettchen auf und landete auf der obersten Stange. Erschrocken sprang der Kameramann zurück, während Shigeko auf die Brettchen zustürzte und beim Versuch, sich abzustützen, einige herunterfegte.
    Eine Möwe saß oben auf der Stange und starrte sie forschend an.
    Atami lag am Meer, und man konnte oft beobachten, wie die Möwen um die Boote kreisten, die Leute hinaus zur Insel Hatsushima fuhren. Im Landesinneren waren sie jedoch selten zu sehen, und hier waren sie nicht einmal in der Nähe der Küste. Der Schrein lag hoch oben am Hang mehr als einhundert Meter über dem Meeresspiegel.
    Die Möwe zog ihren Flügel ein und starrte Hashiba, Saeko und Shigeko abwechselnd misstrauisch an. Die Kamera und Tontechnik schien sie nicht zu beachten.
    »Wo kommst du denn her?«, fragte Shigeko.
    Als wollte sie antworten, hackte die Möwe ein paarmal mit dem Schnabel an den Holzbalken, auf dem sie saß. Vielleicht pickte sie einfach so daran herum. Sie regte sich kein bisschen, abgesehen von ihrem Kopf, der mit ihrem Blick nach links und rechts ruckte. Sie sah merkwürdig gesammelt aus, als wartete sie auf ein Zeichen.
    Wie konnte ein einzelner Seevogel für solche Anspannung sorgen? Seine dunklen Augen starrten die Menschen an, als befählen sie ihnen, sich nicht zu rühren.
    »Was meinen Sie? Spüren Sie irgendetwas anderes als bei unserem Besuch im Haus der Fujimuras in

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