Der Graben: Thriller (German Edition)
nackt auf ihrem Bett, während sie einander befummelten, kam zurück. Das Bild war so lebendig, dass ihm war, als könnte er beinahe ihre Haut spüren, die seinen Körper streifte. Es schien nur natürlich und richtig zu sein, dass ein Mann mit einer Frau, die er liebte, schlafen wollte, bevor sein Ende kam.
Nein, ich kann nicht…
Hashiba wiederholte den Gedanken laut, probierte, sich zusammenzureißen, doch die Versuchung ließ nicht locker, packte seine Gefühle wie mit Adlerklauen. Eine nie gekannte nervöse Unruhe erfasste ihn. Eben noch hatte er sich nichts als ein ruhiges Ende gewünscht. Wie schnell dieser Gedanke sich in Wohlgefallen aufgelöst und vor seinem inneren Kampf die Waffen gestreckt hatte.
Egal, was die Leute sagten, am Ende löste sich alles auf. Hashiba bezweifelte, dass unter so extremen Umständen irgendjemand dem Verlangen widerstehen konnte, die letzten Momente mit dem Menschen zu verbringen, den er liebte. Die Sehnsucht nach Saeko wurde immer größer, stärker denn je. Er wollte ihren Körper, er wollte ihre Liebe.
Wahrscheinlich begehrte er sie umso heftiger, weil sie mitten im Liebesakt unterbrochen worden waren. Das frustrierte Begehren hatte in ihm geschlummert, geschwelt. Nun saß er da, von seinen Gefühlen gemartert, und wiegte den Kopf in den Händen.
Hashiba traf seine Entscheidung. Er würde die Zeit, die ihm noch blieb, dazu nutzen, das einzige ungestillte Bedürfnis in seinem Leben zu befriedigen. Wenn er etwas tun wollte, musste er es jetzt tun. Er würde eines der Autos allein benutzen und Kagayama, Kato und Hosokawa dazu bringen müssen, mit dem anderen zu fahren. Die drei würden nach Tokio fahren, wo auch seine Familie war, doch er würde sich auf direktem Weg nach Takato begeben. Unwillkürlich fiel ihm auf, dass Atami geografisch fast genau in der Mitte zwischen den beiden Orten lag, wie um sein Dilemma zu verkörpern. Sein Herz fühlte sich an, als würde es entzweigerissen, von gegensätzlichen Kräften gespalten. Mit zitternden Händen griff er zum Telefon und wählte erneut Saekos Nummer. Er hatte nichts mehr von ihr gehört, seit sie sich am Nachmittag vor den Kräutergärten voneinander verabschiedet hatten.
Der Anruf wurde direkt auf ihre Mailbox umgeleitet.
Hashiba legte auf; sie hatte ihr Telefon immer noch ausgeschaltet. Möglicherweise hatte sie vergessen, es nach der Ankunft beim Haus der Fujimuras wieder anzuschalten. Die Festnetznummer des Hauses musste in den Ruflisten seines Handys stehen, und Saeko musste definitiv inzwischen angekommen sein. Seine Kehle war trocken, und in seinem Magen rumorte es.
Über die Menüführung des Handys rief Hashiba die Liste der eingegangenen Anrufe auf. Er fand die Nummer und drückte die Ruftaste.
Das Telefon begann zu klingeln. Jemand nahm den Hörer ab, als Hashiba noch gar nicht damit gerechnet hatte. Hashib a räusperte sich, bevor er zu sprechen begann. »Hallo?« Seine Stimme war heiser.
Statt einer Antwort hörte er, wie das Telefon wieder aufgelegt wurde und die Leitung tot war. Gerade wollte er erneut anrufen, als Kato hereinstürzte.
»Hashiba, du musst kommen.«
Hashiba drehte sich nicht einmal um. »Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin? Ich habe zu tun!«, rief er. Seine Hand umklammerte das Handy fester.
»Isogai ruft alle wieder zurück.« Katos tadelnder Ton ließ vermuten, dass er wusste, womit Hashiba beschäftigt war.
»Isogai? Was sagt er?«
»Er regt sich über irgendetwas auf. Keine Ahnung, er benimmt sich seltsam.«
Ohne besonderen Grund schaute Hashiba auf seine Uhr und schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Ist es wichtig?«
»Sieht ganz so aus. Sie sind ganz aufgeregt, fallen sich um den Hals und rufen einander irgendwas zu, auf Englisch…«
Hashiba wusste, wenn er Saeko wiedersehen wollte, drängte die Zeit. Doch wenn Isogai etwas Neues entdeckt hatte, sollte er es sich vielleicht anhören. Er nickte und folgte Kato hinaus auf den Korridor. Als sie vor Isogais Zimmer stehen blieben, hörten sie die aufgeregten Stimmen schon durch die Tür. Es war, als wären Isogai und Chris mitten in einer Diskussion, doch Hashiba konnte nicht verstehen, worum es ging.
Als er die Tür öffnete, schauten die beiden herüber. Isogai stürmte durch den Raum und wäre vor Aufregung fast gestolpert.
»Sie haben sich doch mit Fällen verschwundener Personen beschäftigt, oder?«
»Sicher.« Hashiba war enttäuscht. Warum fragte Isogai danach? Das spielte doch jetzt keine Rolle, auch wenn
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