Der Graben: Thriller (German Edition)
festzustellen. Man würde also erwarten, dass Kleidung, Uhren, alles, was die Leute bei sich trugen, zurückblieb. Doch das war nicht der Fall. Nehmen Sie die Leute, die hier in Atami verschwunden sind. Als Touristen hatten sie Taschen und Telefone bei sich, doch davon wurde keine Spur gefunden.«
»Sie haben recht.« Hashiba hatte den Schauplatz des Geschehens fast unmittelbar nach dem Verschwinden der Leute aufgesucht und hatte selbst gesehen, dass keinerlei persönliche Gegenstände zurückgeblieben waren.
»Zuerst konnte ich diesen offensichtlichen Widerspruch nicht knacken. Wenn es zu einer Verzerrung im Raum gekommen war, warum war dann zusammen mit den Leuten und ihren Sachen nichts anderes verschwunden? Das ergab keinen Sinn. Wenn Sie jedoch annehmen, die Verzerrung war ein Wurmloch, löst sich der Widerspruch wunderbar auf. Warum? Sagen wir, ein Wurmloch, ein Tor zu einem anderen Universum, taucht vor Ihnen auf. Vielleicht ist das, was Sie auf der anderen Seite sehen, so verlockend, so verführerisch, dass Sie nicht anders können, als die Schwelle freiwillig zu übertreten.«
Hashiba war nicht so überzeugt. »Ein Tor zu einer anderen Welt? Warum sollte so etwas verlockend aussehen?«
»Leute mit Nahtoderfahrungen behaupten fast einhellig, dass die Welt, die sie gesehen haben, wunderschön war – beinahe unwiderstehlich. Diese Menschen müssen von dem, was sie auf der anderen Seite des Wurmlochs sahen, so verzaubert gewesen sein, dass sie einfach hinübergehen mussten. Was für einen anderen Grund sollten sie gehabt haben? Sie haben sich alle entschieden, den Ereignishorizont zu überschreiten. So kann man sich das Ganze am besten vorstellen.«
Wenn es stimmte, was Isogai sagte, schien zumindest ein Teil des Rätsels der Vermisstenfälle gelöst zu sein. Hashiba dachte an die Landschaft in den Kräutergärten, an die vielen kleinen Wege, die kreuz und quer durch den Park und zu jenem einen Punkt in dessen Mitte führten. Egal welche Route man wählte, an diesem Punkt musste man vorbei. Genau dort musste das Wurmloch aufgetaucht sein. Plötzlich erschien es klarer, wie so viele Menschen gleichzeitig verschwinden konnten. Es hätte auch keine Rolle gespielt, wenn an jenem Tag mehrere Hundert Menschen den Weg entlangspaziert wären; selbst tausend Menschen hätten alle das Wurmloch gefunden und wären hindurchgegangen. Wenn es war, wie Isogai vermutete, hatten sie sich vielleicht wie verrückt hineingestürzt, wie Ameisen, die in ein Loch springen, das Honig verspricht.
Chris flüsterte Isogai etwas ins Ohr.
»Bist du sicher?«
Auf Isogais Frage nickte Chris.
»Was ist passiert?«
»Sieht so aus, als hätten wir ins Schwarze getroffen. Daran besteht kein Zweifel mehr. Genau jetzt sitzt der Präsident an Bord der Air Force One, die in Richtung Bermudadreieck unterwegs ist.«
Das Bermudadreieck. Dieses Gebiet war dafür bekannt, dass dort zahlreiche Flugzeuge und Schiffe auf mysteriöse Weise verschwunden waren; so viel wusste Hashiba.
»Sie verstehen also, was ich meine, wenn ich sage, dass die Zeit drängt, Hashiba. Wir dürfen nicht länger hier herumsitzen und reden.«
»Sie wollen, dass wir zurück in die Gärten gehen?«
»Natürlich.«
»Moment mal.« Das war Kato. Bisher hatte er einfach nur da gestanden und schweigend zugehört. »Dieses komische Wurmloch ist wie ein Schwarzes Loch, oder? Ist es sicher, hindurchzugehen?«
Kato dachte daran, was Isogai zuvor über die Blasen im kochenden Wasser gesagt hatte. Hashiba verstand seine Angst. Schwarze Löcher waren für ihre enorme Gravitationskraft bekannt; die Kräfte in ihrem Inneren waren so stark, dass sie sogar Licht zusammenquetschten. Die Vorstellung, dort hineinzugehen, war entsetzlich. Wenn sie in die Dunkelheit gesaugt würden, welche Garantie gab es dann, dass sie nicht plattgedrückt wurden?
»Ich kann nichts garantieren. Niemand kann wissen, welche Gefahr dies für uns darstellt. Und wir werden auch kaum einen Bericht von jemandem bekommen, der das schon einmal gemacht hat.«
»Aber Sie als Physiker können doch zumindest…«
Isogai unterbrach Kato mitten im Satz, indem er die Hand hob. »Was ich Ihnen bisher gesagt habe, ist nicht mehr als eine Hypothese, die zu den bisherigen Informationen zu pas sen scheint. Die perfekte Wissenschaft gibt es nicht. Alles, was ich mit Bestimmtheit sagen kann, ist, dass wir sterben, wenn wir noch länger hier herumstehen. Andererseits bietet sich eine Chance zu überleben. Die Entscheidung
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