Der Graben: Thriller (German Edition)
haben herausgefunden, dass ein sogenannter Phasenübergang geschieht. Das Ding ist irgendwo in der Galaxis entstanden und steuert auf unser Sonnensystem zu, schneller als mit Lichtgeschwin digkeit. Es kommt vor Sonnenaufgang hier an, und dann hör t alles, das wir kennen, auf zu existieren. Es wird keine Vorwarnungen geben. Was zurzeit in den Nachrichten zu sehen ist, sind die ersten Anzeichen.«
Die erste Nachricht bezog sich auf ihre spezielle Situation. In der zweiten ging es um das Schicksal nicht nur der Erde, sondern des gesamten Universums. Beide Nachrichten sagten ihr, dass sie unmittelbar in Gefahr schwebte.
Da ist noch etwas im Haus… Ein Phasenübergang würde noch vor Tagesanbruch die Erde treffen und in einem Augenblick alles zerstören…
Diese Information konnte sie überhaupt nicht verarbeiten. Ihre Gedanken überschlugen sich, und im ersten Moment konnte Saeko nicht sagen, welche der beiden Angelegenheiten die dringendere war. Dann wusste sie es; sie brauchte nicht einmal darüber nachzudenken. Alles, was sie und nur sie bedrohte, war nebensächlich. Ganz gleich, was für ein Problem jemand hatte, ob er allein auf einem Eisberg dahintrieb, mit unheilbarem Krebs auf dem Sterbebett lag oder von einem Mörder entführt worden war, spielte keine Rolle mehr. Sie alle würden aufhören zu existieren, und damit auch die Ursachen ihrer Probleme.
Ein Phasenübergang – Grundkenntnisse darüber hatte Saeko. Es bedeutete das Ersetzen der Molekularstruktur der Materie durch eine neue Form, die anderen physikalischen Gesetzen gehorchte. Das Ganze würde von einem Augenblick zum anderen geschehen. Das alte Universum machte sich bereit, durch ein neues ersetzt zu werden, wie eine Schlange, die ihre Haut abstreift. Hieß das nicht, dass sie etwas falsch verstanden hatten? Dass ein fundamentaler Irrtum die Gültigkeit der Beziehung zwischen der mathematischen Sprache der DNA und dem Universum aufgehoben hatte? Dass die Situation aufgrund der gehäuften Widersprüche irreparabel geworden war? Dass das Universum versuchte, sich zurück auf null zu setzen?
Saeko fragte sich, woran es lag, dass sie sich so geirrt hatten. Sie wusste, dass es einen Widerspruch zwischen der allgemeinen Relativitätstheorie und der Quantenmechanik gab; vielleicht war das der Fingerzeig gewesen, den sie gebraucht hatten. Jetzt war es so oder so zu spät. Hashiba hatte gesagt, dass das Ende der Welt noch vor Tagesanbruch kommen würde. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm zu glauben. Anzeichen schien es genug zu geben: den Erdspalt in Kalifornien, den Krater in Atami, die mondartigen Lichter am Himmel. Alles deutete auf eine bevorstehende Katastrophe hin.
48
Hashiba war allein im Zimmer. Nebenan waren Kato und Hosokawa damit beschäftigt, die Ausrüstung zusammenzupacken. Kagayama hatte auf der Bettkante gesessen und etwas vor sich hin gemurmelt. Sie waren sich einig gewesen, dass es wahrscheinlich sinnlos war, die Ausrüstung einzupacken, wenn tatsächlich das Ende der Welt gekommen war. Trotzdem war die Macht der Gewohnheit stärker. Als echte Profis konnten sie erst abreisen, wenn sie alles ordentlich verstaut hatten. Nach dem Auschecken würden sie sich wieder treffen und mit den beiden Autos zurück nach Tokio fahren.
Hashiba hatte alles zusammengeworfen, von dem er glaubte, dass er es noch brauchte. Nun saß er auf dem Bett, sah geistesabwesend fern und wartete darauf, dass die anderen ihm Bescheid sagten, sie seien fertig. Die Berichterstattung der Nachrichten sprang hin und her zwischen Kalifornien und Bildern von Lichtern am Himmel, die vom Mauna Kea auf Hawaii aus aufgenommen worden waren. Die Geschwindigkeit, mit der die Bilder wechselten, schien die Ver wirrung der Nachrichtenproduzenten widerzuspiegeln. All es geschah so schnell, dass niemand Zeit hatte, die Ursachen herauszufinden oder vernünftige Kommentare zu den Bildern zu liefern. Die Reporter konnten nur den Phänomenen rund um die Welt nachjagen und filmen, was immer möglich war. Hashiba fragte sich, wie er eine Sendung über das, was er erfahren hatte, gestalten würde, und ihm kamen prompt verschiedene Ideen. Er setzte sich auf, zugleich aufgeregt und frustriert, weil er mehr wusste als die diversen Sender rund um die Welt. Die Bilder sprangen immer noch zwischen den Orten hin und her, ohne jeden sinnvollen Kommentar. Als Nächstes erschien das Bild eines klaren Nachthimmels. Das war neu. Die Bildqualität war gut; am Drehort musste es eine anständige
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