Der Grabritter (German Edition)
Kultur betreiben. Den Boden dafür haben wir bereitet. Viele großartige Projekte sind auf den Weg gebracht worden. Oft habe ich mit guten Freunden auf unserer altehrwürdigen Wewelsburg gesessen, wo wir Pläne ausarbeiteten, die unsere Visionen in die Wirklichkeit verwandeln sollten. Gute Ansätze waren vorhanden. Viele gute Köpfe standen mit mir zusammen. Lebensborn, ein von mir ausgearbeitetes Programm zur Erhaltung des arischen Blutes, hatte großen Erfolg. Durch strenge Abstammungskontrolle war gewährleistet, dass die Mitglieder, die diesem Verein zugeführt wurden, reinen Blutes waren. Eine Generation weiter, und wir wären ein Volk geworden, welches hoch über allen anderen gestanden hätte. Viele gute Männer haben das getan, was nötig war. Glaube mir, mein Freund, leicht war es nicht. Oft stießen die Leute an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Aber der Weg zum ewigen Ruhm führt nun mal durch ein Meer von Blut und Tränen. All dies haben wir auf uns genommen, für unser großes Ziel. Und nun stehen wir stattdessen vor dem Niedergang. Der Führer hat versagt. Er hat all unsere Ideale verraten und verkauft. Wie nannte er mich immer? Den treuen Heinrich, meinen Ignatius von Loyola. Lange Zeit war ich genau das. Aber der schlimmste Verrat ist der eines Menschen, für den man jederzeit sein Leben gegeben hätte. Schon lange Zeit habe ich den Wandel in der Politik des Führers gesehen. Ich bin sicher, dass die Nachwelt meine Beweggründe verstehen wird, die mich dazu veranlassten, Vorsorge zu treffen, unser großes Ziel eines Tages doch noch zu erreichen. Ich habe Zweifel daran, dass es mir vergönnt sein wird, es selbst noch zu erleben. Jedenfalls nicht als der, der ich bin. Aber wenn es eine Wiedergeburt gibt, und daran mag ich glauben, dann werde ich es eines Tages sehen. Vielleicht Seite an Seite mit dem mächtigen König Heinrich I., dessen Wirken mir stets Wegweiser war. Die Mittel dazu, all dies herbeizuführen, die gebe ich Dir, der Du dieses, mein Vermächtnis liest, an die Hand. Das Geld, welches sich auf dem Konto befindet, ist nur ein Bruchteil dessen, was an dem Ort, der in der Karte eingezeichnet ist, auf Dich wartet. Sei klug und vorsichtig , mein Freund. Nur mit weiser Vorausschau und einer straffen Organisation wirst Du meine Ziele, von denen ich hoffe, dass sie auch die Deinen sind, verwirklichen können. Mein Möglichstes habe ich dazu beigetragen.
In meinen Gedanken bei Dir, mein Freund. Sieg Heil.
Gez. Heinrich Luitpold Himmler, Reichsführer-SS
Ehrfurchtsvoll faltete Ferruccio Vigiani den Brief zusammen und legte ihn vor sich hin. Dann blickte er in die Gesichter der Anderen. »Ich glaube, meine Herren, wir sind uns darüber einig, dass dies unseren endgültigen Durchbruch bedeutet. Mit einem solchen Vermögen ausgestattet kann uns niemand mehr aufhalten.« Der Conte nahm sein Glas und streckte es hoch in die Luft. »Trinken wir auf einen wahrhaft großen Visionär. Auf Heinrich Himmler. Sieg Heil.«
28
Kerner saß in der Berliner Wohnung, deren Telefonnummer er der Contessa gegeben hatte und die seit der Gemäldeausstellung seine Deckadresse war. Im Moment konnte er nichts anderes tun als zu warten. Warten darauf, dass sich jemand meldete und Interesse an dem von ihm angebotenen Bild zeigte. Oder aber darauf, dass vielleicht plötzlich ein paar Killer vor seiner Tür stehen würden. Conte Donatello Vigiani war in der gesamten Kunstszene als leidenschaftlicher Sammler von Gemälden alter Meister aus dem Barock bekannt. Ein solches Bild wie Tarquinius und Lukretia , eines der größten Meisterwerke der Geschichte, das konnte er sich nicht entgehen lassen, dessen war sich Kerner sicher. Die Frage war, auf welchem Weg er versuchen würde, das Bild in seinen Besitz zu bringen.
Der Plan, den er mit Herzog ausgearbeitet hatte, war wirklich genial. Es gab eigentlich fast keine Möglichkeit, in das Umfeld des Conte vorzudringen, aber irgendeinen Schwachpunkt gab es letzten Endes bei jedem, und möglicherweise hatten sie den von Donatello Vigiani gefunden. Dank sehr guter privater Verbindungen Herzogs zu einigen hohen Moskauer Justizbeamten, hatten sie eine Absprache getroffen. Schon lange waren die Moskauer Behörden daran interessiert, einen Ring der Russenmafia zu sprengen. Man hatte viele Hinweise auf internationale Verstrickungen und eine Verbindung rückte immer wieder in den Vordergrund: Die Familie Vigiani aus Italien. Es war also
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