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Der Grabritter (German Edition)

Der Grabritter (German Edition)

Titel: Der Grabritter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Lierss
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Du, ich ... und ein paar sehr gute Freunde von mir. Ich weiß nämlich ein paar Dinge, die du nicht weißt. Also vertrau mir und hör genau zu.«
     
     
     
     
    30
     
    Tief unten hörte man das Geräusch der Wellen, die gegen die steilen Felswände schlugen. Die Herbstsonne tauchte den See in ein unwirkliches Licht. Der Wind blies frisch an diesem Morgen. Contessa Bice de Vigiani stand an der steinernen Brüstung, hoch oben über dem Comer See, und sah hinaus auf das in allen Farben glitzernde Wasser. Seit ihrer Begegnung mit dem geheimnisvollen Mann in der Bonner Gemäldeausstellung ging er ihr nicht aus dem Kopf.
     
     
    Sie sah auf die Visitenkarte in ihrer Hand. Victor Baranow. Der Mann war wirklich sehr ungewöhnlich. Noch jetzt hatte sie sein Gesicht vor sich und die Augen, die so faszinierend lächeln konnten. Keineswegs war sie naiv. Jemand, der ein solches Geschäft abwickeln wollte wie das, was er ihr vorgeschlagen hatte, der bewegte sich nicht gerade im Lichte der Legalität. Sowohl ihr Vater als auch ihr Bruder hatten ihr schon früh im Leben beigebracht, sehr vorsichtig im Umgang mit Fremden zu sein. Dass ihre Familie viele Feinde hatte, wusste sie nur zu genau. Aber hatten das nicht alle Menschen, die so viel Macht in Händen hielten? Es war auch gewiss nicht nur das Bild, was sie ständig an diesen Mann denken ließ. Nein, da war noch etwas anderes. Sie war sich nur noch nicht darüber im Klaren, was es genau war.
     
    Sie zog ein Tuch über ihre Schultern und drehte sich um. Ihr Vater kam heraus auf die Terrasse, und Bice lief ihm entgegen. Sie wusste, dass er sich nichts anmerken lassen wollte, aber der Krebs, der unaufhaltsam weiter fraß, verursachte ihm starke Schmerzen. Zärtlich umarmte sie ihn. Schon vor ein paar Jahren war ihre Mutter gestorben, und obwohl ihr Vater ein so harter Geschäftsmann war, und sein Verhältnis zu ihr eigentlich nach außen hin recht kühl wirkte, hatte er sich nach ihrem Tod verändert. Es schien fast so, als ob er auf den Tag wartete, an dem er ihr folgen würde. Erst nach ihrem Tod hatte der alte Conte begriffen, dass diese Frau wahrscheinlich der einzige Mensch war, der ihn, warum auch immer, von ganzem Herzen geliebt hatte. Ihr Bruder war ganz anders damit umgegangen. Nie hatte er sich auch nur das Geringste anmerken lassen. Er war solange, sie denken konnte, immer stark gewesen. Sehr viel stärker als sie und auch stärker als ihr Vater. Aus allen Geschäften der beiden hatte sie sich immer heraushalten müssen. Was aber nicht verhindern konnte, dass sie eines sehr wohl bemerkte. Es gab eine Menge Leute, die ihren Vater, ganz besonders aber ihren Bruder fürchteten. Sie selbst war anders. Nicht etwa weniger stolz oder weniger selbstbewusst, nein, aber vielleicht etwas näher bei den Menschen. Dennoch liebte sie ihre Familie und hatte sich nie eine andere gewünscht.
    »Magst du mit mir frühstücken, Papa?« Der Conte lächelte. »Dazu bin ich gekommen. Lass uns hier auf der Terrasse bleiben. Ich mag es, wenn der Wind ein bisschen geht. Sagst du bitte Bescheid, man möchte uns hier etwas herrichten?« Bice war froh, dass ihr Vater noch Appetit hatte. Ein gutes Zeichen. Sie ging hinein und rief nach Minette.
    Kurz darauf saß sie mit ihrem Vater zusammen an einem gedeckten Tisch auf der Terrasse. »Sag mal Papa, wohin ist eigentlich Ferruccio verreist? Er hat sich heute Morgen ganz früh von mir verabschiedet und nur gesagt, dass es ein paar Tage dauern könne, bis er zurückkommt. Überhaupt macht er in letzter Zeit immer ein ziemliches Geheimnis um seine Reisen.« Scheinbar ein wenig verstimmt über die Frage, winkte Donatello Vigiani mit der Hand ab. »Ich weiß selber nicht genau. Aber es ist eine wichtige Geschäftsreise, von der viel für uns und unsere Geschäftsfreunde abhängt. Mach dir nur keine Gedanken. Dein Bruder ist ein sehr kluger und weitsichtiger Mann. Er wird die Familiengeschäfte in unser aller Interesse gut führen.« Ein bisschen traurig sah Bice ihren Vater an. »Macht es Dir sehr viel aus, dass du ihm alles übergeben hast?« Die Verstimmung verschwand wieder aus dem Gesicht des Conte und ein fast entspanntes Lächeln machte sich wieder darauf breit. »Oh nein, mein Schatz, im Gegenteil, eine große Last ist von mir genommen. Ich genieße es, mich endlich ein paar Dingen widmen zu können, die mir am Herzen liegen. Zeit zu haben, Zeit, von der ich für alles Geld der Welt keine Sekunde verkaufen würde und die ich jetzt mit dir

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