Der Graf und die Diebin
nicht sterben. Tu nur einfach, was ich dir gesagt habe.“
Zum ersten Mal in ihrem Leben handelte die kleine Zofe ruhig und zielstrebig. Als der Wagen vor dem Haus vorfuhr, wies sie den Kutscher an, zur Wohnung des Comte de Saumurat zu fahren.
„Du weißt, wo das ist?“
Er nickte, und Nadine stieg erleichtert ein. Sie wickelte sich fröstelnd in ihren Umhang, denn es war bitter kalt geworden. Kleine Schneeflöckchen sanken aus dem grauen Winterhimmel auf die Stadt herab und hatten die schmutzigen Gassen weiß gepudert. Hie und da hockten einige zerlumpte Gestalten um ein Feuer und wärmten sich, Sänftenträger eilten im Laufschritt vorüber, damit die in Pelze gehüllten Damen und Herren nicht unnötig lange dem Frost ausgesetzt blieben. Der Wagen hielt auf einem kleinen Platz in der Nähe der Tuilerien an, und Nadine stieg zögernd aus.
„Hier?“
Der Kutscher wies mit dem Daumen auf eines der zweistöckigen Häuser, die Nadine so groß und prächtig erschienen, dass sie normalerweise niemals gewagt hätte, dort vorstellig zu werden. „Warte auf mich“, ordnete sie an und schritt mutig über den Platz.
Am Eingang standen zwei Bedienstete, die sich nicht weiter um sie kümmerten, als sie das Haus betrat und die Treppe hinaufstieg. Oben wurde sie von einer grauhaarigen Kammerfrau empfangen, die sie misstrauisch einließ und wissen wollte, wieso sie nicht die Dienstbotentreppe benutzt habe. „Ich habe eine Botschaft für den Comte.“
„Von wem?“
„Sagt ihm nur, dass Nadine hier sei.“
Die Kammerfrau zog mürrisch die Nase hoch und murmelte, dass der Herr wohl keine Zeit habe.
„Es geht um Leben und Tod!“
„Gar so schlimm wird’s wohl nicht sein“; knurrte die Kammerfrau, schlurfte aber doch davon.
Christian erschien nur wenige Augenblicke später im Flur, sein Haar war wirr, er trug nur das weite Hemd und die culotte. Nadine verbot sich augenblicklich, Vermutungen über diesen Aufzug anzustellen. „Nadine“, rief er erstaunt. „Was für eine Überraschung. Was gibt es denn so Dringendes?“
„Es geht um meine Herrin“, begann Nadine.
Sein Gesicht verfinsterte sich. „Um Jeanne? Ich wollte sagen: die Duchesse de Gironde? Ich habe wenig Interesse.“
„Sie ist in großer Gefahr, Herr....“
„Nun – sie hat doch einen mächtigen Beschützer“, sagte er spöttisch. „Warum kümmert er sich nicht um sie?“
„Man hat heute früh einen Giftanschlag auf den Duc und meine Herrin verübt....“
Nun war er doch erschrocken. Er wurde blass und fuhr sich mit der Hand durch das ungekämmte Haar.
„Um Gottes Willen.... Ist Jeanne.... ist sie....?“
„Sie ist dem Anschlag entgangen. Aber man hat sie in die Bastille gebracht.“
Er starrte sie an, und sie konnte sehen, wie seine Brust heftig atmete. „In die Bastille? Aber weshalb?“
„Sie ist angeklagt, de Gironde vergiftet zu haben. Oh Herr, man wird sie verurteilen und hinrichten, wenn ihr niemand hilft. Und der Duc liegt auf den Tod, niemand weiß, ob er den Anschlag überleben wird.“
Christian biss sich auf die Lippen, sein Gesicht war jetzt totenblass.
„Nun“, sagte er. „Sie hat sich an diesen Menschen gebunden – nun muss sie dafür büßen. Die Sache geht mich nichts an, Nadine.“
Die kleine Zofe glaubte, die Erde würde unter ihr erzittern. Das war nicht ihr Comte, der da so kaltherzig über das Schicksal ihrer Herrin entschied. Das war ein anderer, ein Mensch, den sie nie gekannt hatte.
„Aber Herr....“, flehte sie. „Ich hatte so sehr gehofft....“
„Ich habe leider keine Zeit, Nadine. Lass dir in der Küche etwas Heißes zu trinken geben und einen Imbiss reichen. Es scheint kalt geworden zu sein.“
Damit ließ er sie stehen.
Jeanne lief wie ein gefangenes Tier in ihrer Zelle auf und ab. Sie war verloren – nur Roger konnte ihr noch helfen. Roger – mein Gott – sie wusste nicht einmal, ob er noch lebte! Sie schob den Stuhl unter das hochliegende, rechteckige Fensterchen und sah nach draußen. Sie befand sich auf der Seite der Festung, die der Stadt abgewandt war. Kahle Felder dehnten sich vor ihr aus, an einigen Stellen von feinem Schnee überzogen, und ein schwerer, grauer Winterhimmel hing darüber, der die Hügel am Horizont verschlungen hatte.
Selbst wenn es ihr gelingen würde, das Gitter zu entfernen und sich durch das Fenster zu zwängen – wohin sollte sie sich wenden in dieser eisigen Kälte? Wer würde sie aufnehmen?
Entmutigt stieg sie wieder herunter und lehnte sich
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