Der Graf und die Diebin
erschöpft gegen die kalte Steinmauer. Sie hatte gespielt und verloren – jetzt würde sie die Strafe für ihren Hochmut ereilen. Sie hatte alles haben wollen: Nicht nur den geliebten Mann hatte sie besitzen wollen, sondern sie wollte auch für immer mit ihm verbunden sein. Nicht als seine maitresse , sondern als seine rechtmäßige Ehefrau. Sie hatte Christian auf Augenhöhe begegnen wollen und würde dieses Wagnis vermutlich mit ihrem Leben bezahlen. Das konnte nicht das Ende sein. Alles in ihr wehrte sich dagegen. Sie wollte leben. Sie wollte frei sein. Und sie würde eine Möglichkeit finden. Irgendwie würde es ihr gelingen, aus diesem Käfig zu entkommen. Nur wie?
Ein Schlüsselbund rasselte, gleich darauf vernahm sie das knirschende Metallgeräusch eines Schlüssels, der im Schloss umgedreht wurde. Die Tür ihres Gefängnisses wurde geöffnet. Ein Mann stand auf der Schwelle, mittelgroß, schmal, in ein warmes Lederwams und feste Stiefel gekleidet. Sein dunkles Haar war dicht und reichte bis über die Ohren, das Gesicht war sehr schmal, die Nase lang und ein wenig schräg.
„Ich hoffe, Ihr befindet Euch nicht allzu unwohl, Duchesse“, redete er sie an. „Gestatten: Jean Baptiste Brulot, beauftragt, für Euer Wohl und Eure Sicherheit zu sorgen.“
Sie starrte ihn an und begriff, dass ihr Gefängniswärter vor ihr stand. Er musterte sie mit dem Blick eines Menschen, der einen profitablen Fang gemacht hat, aber noch nicht so recht weiß, wie er seinem Opfer beikommen wird.
„Ihr seid nicht sehr gesprächig?“, fuhr er unbekümmert fort und betrat den Raum, ohne sich weiter um sie zu kümmern. Er rüttelte an der kümmerlichen Bettstatt, hob die Decken an um zu sehen, ob sie darunter etwas versteckt hatte und schob den Stuhl an seine ursprüngliche Stelle zurück. „Trübe Aussichten, nicht wahr?“, meinte er grinsend. „Wir haben leider Winter, Duchesse. Wenn im Frühling die Felder grünen, werdet Ihr Euch an diesem Ausblick eher erfreuen können.“
Sie verzichtete darauf, diese Gemeinheiten mit einer Antwort zu belohnen. Im Frühling würde sie ganz sicher nicht mehr hier sein. Er hatte noch weitere Dinge auf Lager, die geeignet waren, den inneren Widerstand seiner Opfer zu schwächen.
„Ich bin für alles zuständig, was Ihr zu Eurem Wohlbefinden benötigt, Duchesse“, pries er sich mit hinterhältigem Grinsen an. „Habt keine Sorge – ich kenne mich bestens mit den Bedürfnissen des weiblichen Körpers aus. Ich werde Euer Nachtgeschirr ausleeren und für die Körperwäsche einen Eimer warmes Wasser nebst Tüchern und Seife bringen. Auch für die Nöte, die eine Dame alle vier Wochen befallen, habe ich gewisse Tücher vorrätig. Ihr könnt Euch mir also ganz und gar anvertrauen. Wenn nötig, werde ich Euch auch beim An- und Auskleiden behilflich sein....“
„Raus!“
Der Zornesausbruch kam für ihn zwar erwartet, dennoch erschreckte ihn die Heftigkeit, und er zog sich eilig zurück. Sie sollte mehrere Soldaten gebissen und gekratzt haben – da musste er vorsichtig sein und Geduld haben. Vor allem Geduld – die Zeit hatte bisher noch alle Gefangenen kleingekriegt. Schon nach ein paar Wochen würde sie für ein Stück Seife oder eine warme Decke vor ihm auf dem Boden rutschen. Eine Vorstellung, die für ihn äußerst erregend war.
„Ganz wie Ihr wünscht, Duchesse“, murmelte er und schloss die Tür sorgfältig ab. Auf dem Flur begegnete ihm ein unbekannter junger Offizier, einer jener gut aussehenden, adeligen Angeber, die er aus tiefstem Herzen hasste. Er beeilte sich, seine untertänige Reverenz zu machen.
„Die Duchesse de Gironde?“, fragte der Offizier in kühlem, befehlsgewohntem Ton.
„Gleich hier in diesem Verlies, Euer Gnaden.“
„Schließ auf.“
Ein leises Misstrauen wuchs in ihm. Er kannte den Mann nicht. „Mit Verlaub, Euer Gnaden – darf ich erfahren....“
Der junge Offizier durchbohrte ihn förmlich mit seinen dunklen Augen. „Dein Name?“
„Jean Baptiste Brulot – zu Diensten, Euer Gnaden“, flüsterte er eingeschüchtert mit tiefer Verbeugung.
„Aufschließen!“
Gehorsam schritt er zur Tür, nahm den Schlüsselbund zur Hand und suchte den Schlüssel heraus. Als er ihn ins Schloss steckte und dann die Tür öffnete, spürte er einen harten Schlag im Genick, und er hatte das Gefühl, in ein bodenloses, dunkles Loch zu stürzen.
Jeanne stand fassungslos, unfähig sich zu regen. „Christian“, flüsterte sie.
Er zog den Bewusstlosen in den
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