Der Graf und die Diebin
Für die Feier hatte der Chevalier eine große Anzahl zusätzlicher Bediensteter engagiert. Zwei Köche und ein ganzes Bataillon von Küchenhilfen bereitete die Speisen vor, Kutscher luden Kisten und Fässer mit Wein ab, die Villa wurde mit Blüten und Stoffen festlich dekoriert, und da das Wetter angenehm war, stellte man auch im Garten Tische auf. Musiker erschienen und stimmten ihre Instrumente – Schauspieler probierten ihre Texte und Gesten – ein kleines Theaterspiel sollte später bei Fackelbeleuchtung im Garten stattfinden.
Jeanne war fasziniert von all den Vorbereitungen. Den ganzen Tag über lief sie mal hierhin, mal dorthin, sah zu, gab Anweisungen und legte hin und wieder sogar selbst mit Hand an. Erst kurz vor dem Eintreffen der Gäste zog sie sich zurück, um sich von Nadine ankleiden und zurechtmachen zu lassen.
„Schön wie eine Prinzessin“, sagte der Chevalier, als sie in ihrem neuen Kleid die Treppe hinunterschritt. Das Kleid war roséfarben mit tiefem Dekolleté und zarten, elfenbeinfarbenen Spitzen an den weiten Ärmeln. „Dreh dich um“, befahl er.
Sie gehorchte und spürte seine dicken Finger, die ihr ein Geschmeide aus Rosenquarz um den Hals legten. Die Steine waren mit kleinen Perlen verarbeitet und in Gold gefasst, eine kostbare und teure Arbeit, die er passend zu diesem Kleid hatte anfertigen lassen. „Ich danke Euch“, sagte sie artig und ließ prüfend ihre Hände über den Schmuck an ihrem Hals gleiten.
„Den Dank werde ich heute Nacht empfangen, meine gestrenge Herrin“, flüsterte er, den Mund dicht an ihrem Hals.
Abscheu erfasste sie, und sie hätte ihm gern sein Geschmeide vor die Füße geworfen. Stattdessen schenkte sie ihm ein Lächeln und lief dann davon, um sich im Spiegel zu bewundern.
Wenige Minuten später stand sie an seiner Seite im Saal, um die Gäste zu begrüßen und ihre Glückwünsche entgegenzunehmen. Sie entledigte sich dieser Aufgabe mit dem Charme und der Haltung einer geborenen Prinzessin, und doch zitterte sie innerlich mit dem Eintreten eines jeden Gastes. War er es? Würde er kommen? Sie hatte Christians Namen auf der Gästeliste gesehen, und sie war darauf vorbereitet, ihm zu begegnen. Jedoch ging das Défilé der Gäste zu Ende, ohne dass Christian erschienen war. Sie verspürte Enttäuschung und Erleichterung zugleich und widmete sich ausgiebig ihren Pflichten als Gastgeberin. Oft hatte sie Marguerite de Fador in dieser Rolle bewundert – nun konnte sie selbst sich darin versuchen. Es fiel ihr leicht, denn sie hatte die Fähigkeit, anderen Menschen unbefangen und fröhlich gegenüberzutreten. Sie machte Gäste miteinander bekannt, zog sie in Gespräche hinein, sorgte dafür, dass man sich unterhielt und die Stunden genoss.
Auch Mme de Fador war erschienen, begleitet von Roger de Gironde. Mit übertriebener Freudengeste begrüßte sie ihre „kleine Schülerin“, die sich inzwischen so großartig „gemausert“ habe. „Ich bin stolz darauf, einmal deine Lehrmeisterin gewesen zu sein“, sagte Marguerite und lächelte sie kühl an.
Jeanne zeigte mit keiner Miene, dass sie diese Frau abgrundtief hasste und verachtete.
„Oh, Madame, ich weiß sehr wohl, dass ich Euch noch lange nicht das Wasser reichen kann“, sagte sie und senkte bescheiden den Kopf, während sie Marguerite und den Duc in den Garten geleitete.
Während des Gartenkonzerts saß sie neben dem Chevalier, der zum heutigen Festtag eine dunkelrote, mit Goldtressen besetzte Robe angelegt hatte. Hin und wieder legte sich seine feuchte Hand auf ihren Rock und strich an ihrem Bein entlang. Er tat es vor allen Dingen dann, wenn die Blicke anderer Herren auf seiner schönen Maitresse ruhten. Das Konzert hatte gerade geendet, man applaudierte, und der Chevalier erhob sich, um die Gesellschaft zu Tisch zu bitten. In diesem Augenblick erblickte Jeanne einen verspäteten Gast, der soeben aus dem Haus in den Garten trat.
Sein blondes lockiges Haar war im Licht der Fackeln deutlich zu erkennen. Christian stieg ohne Hast die Stufen der Veranda hinab, und Jeanne hatte gerade noch die Zeit tief durchzuatmen, um ihr Herzklopfen zu beherrschen – da stand er schon vor ihr. Seine dunklen Augen schienen zu brennen, als er sie ansah. Jeanne fühlte, dass sie bis ins Mark erzitterte. Ach, sie hatte so stark sein wollen, und nun war sie so schwach wie noch nie zuvor.
„Ich bedaure, zu spät gekommen zu sein“, sagte er mit leichtem Spott. „Es ist verhängnisvoll, bei einer schönen Frau den
Weitere Kostenlose Bücher