Der Graf und die Diebin
sie gedacht hatte. Wie mit eiserner Faust hielt er ihren Arm umklammert, stieß sie jetzt quer durch das Zimmer und warf sie auf das Bett. „Was kann ich dafür?“, rief sie. „Warum glaubt Ihr diese Lügen?“
Er stand vor ihr und starrte mit vorquellenden Augen auf sie herab. Plötzlich erschien er ihr riesig groß, ein gewaltiger Berg aus Fleisch und Muskeln. Sie begriff voller Panik, dass sie ihm hilflos ausgeliefert war.
Er griff in ihr Dekolleté und riss ihr den Schmuck vom Hals. „Juwelen für eine kleine Nutte!“, keuchte er. „Seidene Kleider, Brokatpantöffelchen, Brüssler Spitzen. Her mit allem, was mir gehört!“
Er zerrte ihr das Oberteil des Kleides herunter. Sie schrie auf und versuchte ihm zu entkommen, doch er bekam ihre Röcke zu fassen. Wie ein Wütender zerfetzte er die seidenen Stoffe, riss an Schnüren und Haken und schälte sie aus dem Korsett heraus, bis sie völlig nackt war.
„Nichts gehört dir!“, tobte er. „Auf die Straße werfe ich dich. So wie du bist.“
Sie wehrte sich verzweifelt, kratzte ihn mit den Fingernägeln, versuchte ihn zu beißen. Er schlug ihr mit der Hand ins Gesicht, und sie spürte das warme Blut an ihrer Lippe. Wut erfasste sie – er wagte es, sie zu schlagen, dieser elende Feigling. Sie bog ein Knie an und trat nach ihm mit aller Kraft. Er schrie und krümmte sich zusammen, denn sie hatte ihn an empfindlicher Stelle getroffen. Dieses Mal bereitete es ihm keine Lust, sondern heftigen Schmerz. Er wurde leichenblass, stierte sie an, sodass sie schon fürchtete, er werde gleich mit Fäusten über sie herfallen. Doch stattdessen rutschte er rückwärts von ihrem Lager herunter, stand einen Moment schwankend vor dem Bett, die Hände auf sein Geschlecht gepresst und keuchte vor Schmerz.
„Das wirst du mir büßen, Hure“, zischte er. „Ich werde dafür sorgen, dass du für immer verschwindest. Es gibt genügend Kerker in Frankreich, in denen du verhungern kannst.“
Mit schleppenden Schritten verließ er das Zimmer. Dann hörte Jeanne, wie sich ein Riegel vor die Tür schob. Sie war gefangen.
Im Morgengrauen bewegte sich eine Kutsche mit verhängten Fenstern auf dem Fahrweg entlang der Seine. Schläfrig hockte der Kutscher auf dem Bock und starrte in die weißlichen Flussnebel, die der Wind in allerlei seltsame Formen verwehte. Eine Gruppe Enten wurde vom Geräusch der Kutsche aus dem Schlummer geschreckt, eilig watschelten die Tiere ins rettende Wasser. Das Licht war unstet und wechselte zwischen hellem Grau und fahlem, bläulichem Weiß, nur zögernd brachen hie und da erste Sonnenstrahlen durch die Wolken.
Die beiden Männer im Inneren der Kutsche hatten sich gegen die Morgenkühle in dunkle Umhänge gewickelt und schwiegen sich an. Roger de Gironde fragte sich, welcher Teufel ihn geritten habe, bei diesem unseligen Duell als Sekundant mitzuwirken und sich dabei möglicherweise den Zorn des Königs einzuhandeln. Duelle waren streng verboten – wer sich dabei erwischen ließ, konnte mit Festungshaft bestraft werden. Roger warf einen Blick zu dem ihm gegenübersitzenden Comte de Saumurat und stellte fest, dass dieser tief in Gedanken versunken war. Mit einem leisen Seufzer schob der Duc den Fenstervorhang ein wenig beiseite und spähte hinaus. Nichts Auffälliges war zu sehen, außer einem schwer beladenen Boot, das mühsam von mehreren Männern flussaufwärts gerudert wurde.
Christian grübelte vor sich hin und schalt sich selbst wohl zum hundertsten Mal einen Narren. Warum hatte er gestern Abend nicht getan, was er sich vorgenommen hatte? Er hatte Jeanne noch einmal sehen wollen, bevor er in den Krieg zog. Ruhig und freundlich hatte er von ihr Abschied nehmen wollen, es sollte kein Hass zwischen ihnen bleiben, was auch immer geschehen war. Aber alles war anders gekommen.
Er hatte kaum den Garten betreten, da sah er sie neben dem Chevalier, und brennende Eifersucht erfasste ihn. Es war seine Jeanne, die dort saß, in diesem verfluchten schönen Kleid, das dieser Lump ihr bezahlt hatte. Oh, sie hatte sich verändert. Selbstbewusster war sie geworden, sicherer, nicht mehr seine kleine Wildkatze. Eine junge Dame saß dort, strahlend schön – und doch war es seine Jeanne.
Als er ihr gegenüberstand, war es um ihn geschehen. Er hatte sie grüßen wollen, ein paar Belanglosigkeiten austauschen. Doch es war stärker gewesen als er. Alle Verzweiflung, aller Zorn brachen mit einem Mal aus ihm heraus. Er musste sie berühren, sie an sich reißen,
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